15:30 Uhr
Sachbuch: Tea Party. Die weiße Wut. Was Amerikas Neue Rechte so gefährlich
macht.
Autorin: Eva
C. Schweitzer; Moderation: Jan
Feddersen
Viel Spaß dabei.
Da Oliver Uschmann bereits kurz vor 15:00Uhr fertig
ist, bin ich mehr als überpünktlich am TAZ
Stand bzw. ich bin ungefähr 10m vor dem TAZ Stand, dann ist Schluss, eine
Traube von Menschen umlagert drückend und schiebend den Stand, in der zehnten
Reihe stehen Menschen auf Zehenspitzen und fotografieren wild über alle hinweg,
Beuteltierchen
streifen neugierig um die Meute und gucken durch die Lücken, der Gang ist zu,
der Stand daneben auch. Was ist passiert? Ist Joanne k. Rowling da? Nein, dann
würden irgendwo Teenager kreischen.
Apropos Teenager, wie überall auf der Messe drücken
sich auch hier regelmäßig Grüppchen von 3-6 ausnahmslos apathisch wirkenden
jungen Menschen durch die Massen. Ausgestattet mit je einem Geschenkbeutel (pro
Gruppe gibt es immer nur eine Variante; verschiedene Grüppchen haben aber
verschiedene Varianten) schleichen Sie scheinbar ziellos umher. Nie bleiben sie
stehen, auch sieht man sie in keiner Lesung sitzen, lediglich Fast Food
schmausen kann man sie gelegentlich beobachten, so ziehen sie missmutig ihre
Kreise bis der Bus sie wieder abholt. Einen Vorteil haben sie: An ihnen erkennt
man das heute auf der Messe Karrieretag ist. Kann mal bitte jemand allen
Lehrern in Leipzig und Umgebung mitteilen, dass es grausam ist arme
Jugendliche, die Bücher nur aus den Erzählungen ihrer Eltern kennen, einsam und
verlassen 8h lang im Kreis laufen zu lassen? Hoffnung verbreitet allerdings der
Anblick des Pocket Parks, zwischen den Hallen, der sich mittlerweile in einen
Schulhof verwandelt hat. Ein sonniger Tag mit Freunden am See, so behalten vielleicht Einige die Messe in guter Erinnerung und kehren irgendwann
zurück wenn sie Interesse und nicht mehr Zwang treibt.
Aber ich schweife ab. Vielleicht ist
Jussi Adler-Olsen (siehe
hier Plätze 1, 7&8) am Stand? Das Publikum dazu passt irgendwie und
Kapitalismuskritik und TAZ geht wohl auch zusammen aber die leise leiernde
Stimme, die von drüben herüberdringt kommt mir anderweitig bekannt vor, nur ich
komme nicht drauf. Also muss ich der Neugier nachgebend (ein Mann fragt
selbstverständlich niemals andere Leute!), doch irgendwie nach vorn drängeln
und dann, durch die Fensterscheibe des Abo Stands sehe ich und höre
fast gleichzeitig, Heiner
Geißler schwadronierend über Stuttgart 21.
Mein Gott, alle Deutschen sind gelangweilt von
Politikern, vertrauen ihnen nicht und finden sie unsympathisch aber wenn dann
mal einer da ist, dann benehmen sie sich wie die Briten wenn die Queen kommt.
Interessiert sich eigentlich außerhalb von Stuttgart irgendwer für diesen
Bahnhof? Aber vielleicht haben die Leipziger einfach Angst, dass Ihnen jemand
die Bahnhofsarkaden
wieder ausgräbt, schließlich haben sie auch einen Kopfbahnhof und eine
tiefschwarze Landesregierung. Ein paar Minuten lang versuche ich irgendeinen ruhigen
Platz zu finden, dann gebe ich es, das Geschiebe leid, auf und gehe neuen Kaffee holen. Ich erwische nur
einen dünnen Aufgewärmten aus der Kanne aber immerhin gibt es in der Glashalle
auch vernünftigen (und Ja, Antje hat schon Recht, ein bissl stark ist der aber
wenigstens dampfgebrüht). Aber die Pommes aus der Glashalle vom FairGourmet Catering sind wahrlich bemerkenswerter als der Kaffee, so
wundervoll weich, fettig und speckig, das sie auf der Zunge zerschmelzen und
das alles völlig ohne Geschmack. Gibt es eigentlich ein Wort für Essen das sagt: Es ist schlechter als schrecklich aber komischerweise dabei nicht verdorben?
Wenigstens bleiben so ein paar Minuten zum Beobachten
der zweiten großen Teenager Bewegung der Messe, der Cosplayer (Bericht
aus der FAZ, Bilder
& Bilder).
Die sind eindeutig hier weil sie Spaß dran haben, auch wenn ich nicht weiß ob
alle Eltern über die Bekleidung ihrer Töchter glücklich bzw. überhaupt
informiert waren. Ist im Prinzip aber auch egal es fetzt alle paar Minuten
wahlweise Elfen Harry Potters, Narutos, Katzenmenschen oder jede Menge anderer
schräger Gestalten zu sehen. Dass nicht jede Figur zu jeder Kleidung passt kann
man in Fußgängerzonen auch gut beobachten, da will ich die Cosplayer daher auch
nicht dran aufhängen. Es nimmt der Messe auf jeden Fall jede Menge
Affektiertheit.
Bei der Rückkehr zum Stand ist es noch genau so voll, Heiner
überzieht offenbar aber ich verstehe die Worte „noch zwei Fragen“ durch das
Grundmurmeln, jetzt heißt es also Rockfestival Erfahrung ausspielen und klug
nach vorn kommen während die Masse nach hinten flutet. Leider habe ich das
Geschäft ohne die träge Büchermessenmasse gemacht, die nicht mal vor meinem
schwankenden Kaffee Angst hat und wahlweise einfach sitzen bleibt, Motto egal
was kommt Hauptsache Sitzplatz, Autogramme abholt (Ja das ist mein Ernst!) oder
vielleicht überredet sogar die Prominenz von Jan Feddersen
Menschen zum Bleiben? So oder so das Rückzugsverhalten ist jedenfalls
festivalunwürdig oder ich aus der Übung, so kann ich die wenigen vereinzelten
Lücken nicht richtig ausnutzen und versumpfe dann endgültig in der dritten
Stehreihe vor dem Stand. Nicht so erfolgreich! Ganz schön eng hier und bei irgendjemand haben
die Pommes auf die Verdauung geschlagen aber ein kritischer Blick zeigt nur
unschuldige Gesichter da heist es jetzt einfach durchhalten.
Aber Schluss jetzt mit der Klage und nun zum
eigentlichen Thema und das ist wie erwartet spannend und wird außerdem gut
präsentiert. Eva C. Schweitzer wirkt sehr kompetent und bringt das
Thema kurz und trocken rüber während Jan Feddersen die eher lockere Seite samt
Stichwörtern gibt. Die Grundaussage des Buches fasse ich mal kurz zusammen:
Die Tea Party Bewegung, als eine Art außerparlamentarischer
Opposition entwickelte sich parallel zu Immobilen Krise. Afroamerikaner und
Hispanics hatten bis vor einigen Jahren kaum Möglichkeiten Häuser in den von
Weißen dominierten Vororten zu kaufen bekamen diese Chance aber im Rahmen von
neuen Gesetzen der Regierung Clinton. Leider waren unter diesen Krediten
besonders viele mit den so zerstörerischen veränderlichen Zinssätzen so dass
besonders viele von Ihnen platzten. Dies hat in der weißen Mittelschicht das
falsche Gefühl erzeugt, das Sie mit dem Geld das in die Banken geflossen ist
die Fehler der Afroamerikaner und Hispanics bezahlt haben. Hinzu kommt der
schwarze Präsident der auch noch eine Krankenversicherung will. Die weiße
Mittelschicht befürchtet nun, dass mehr Kranke in den Kassen wieder von Ihnen
bezahlt werden müssen oder die jetzt schon nicht umfangreichen Leistungen
sinken für Alle. Einige Industrielle haben die Bewegung von Anfang an auch
finanziell massiv unterstützt und dabei diese Ängste massiv gefördert. Da,
die in sich nicht homogene Bewegung aber keinen charismatischen Führer mit
Chancen auf ein hohes politisches Amt hat weicht sie mittlerweile langsam
wieder etwas auf. Einzigen Ersatz bietet aber nun der radikale Christ Rick
Santorum dessen Ziele zwar nicht denkungsgleich mit der Bewegung sind, aber
Macht ist wohl am Ende Macht. Santorum verfolgt eigentlich eher religiöse
Interessen z.B. dem Verbot der Homosexuellen Ehe, dem Verbot von Abtreibung,
dem Verbot von Verhütung etc. pp.
Nebenbei und privat: Was hat die Kirche eigentlich immer mit ihren Verboten an die sich nicht mal die Christen selbst halten? Ist das so ein Sühne/Strafe Sex Spiel?Ach Egal was reg ich mich auf...
Die Tea Party zielt dagegen, im Interesse ihrer Geldgeber auf wirtschaftliche und isolationistische Ziele und entwickelt dabei auch rassistischen Tendenzen, dieser Konflikt droht nun die Republikaner lahm zu setzten und damit auch die traditionelle Kompromisskultur der beiden Parlamente zu zerstören. Frau Schweitzer wies auf die Gefahr hin das Santorum als Kompromiss von Romney die Vizepräsidentschaft im Falle eines Wahlsieges angeboten bekommen könnte. Das kann einem schon Angst machen.
Einige der Vorgänge sind für Europäer schwer
nachzuvollziehen speziell da die Ziele und intellektuellen Grundlagen der
Bewegung so dürftig erscheinen aber Eva C. Schweitzer kann mit vielen Anekdoten
und Geschichten über und aus den USA sehr überzeugend ein Bild des heutigen
Amerikaners und von dessen medialem Umfeld erzeugen. Schön zum Beispiel die
Geschichte von Sarah Palin, die, einen
Tag nachdem Michelle Obama eine Empfehlung zu mehr Obst und Gemüse in der
Schulspeisung herausgegeben hatte, es sich nehmen ließ, konträr
dazu Zuckerplätzchen (!) an
einer Schule in ihrer Nähe zu verteilen. Diese Geschichten beleben das Thema
und somit scheinen mir beim Buch Fachinformation und Untermauerung gut in der
Waage und damit das Buch auch insgesamt empfehlenswert zu sein.
Beuteltierchen :D So nennen Aussteller also Tüten-sammelnde Besucher ohne konkreten Interessefokus.
AntwortenLöschenUnd die uniforme Werbegeschenkausstattung innerhalb der Schülergrüppchen ist mir nicht aufgefallen. Ich hab nur beobachtet, dass die Busladung Buchmesse-Verdonnerter ihr Schicksal zwar nicht fröhlich aber ergeben annahmen. Schlicht nach dem Motto: Ganz schön langweilig aber besser als Schule.
Bin sowieso verwirrt, warum die überhaupt im Messetrubel herum gelaufen sind. Alle Veranstaltungen zum Motto Karriere fanden doch eigentlich in einer separaten Halle statt. Hm...
Achso: Zitat "Antje hat schon Recht, ein bissl stark ist der aber wenigstens dampfgebrüht"
AntwortenLöschenBissl stark? D-:
Und außerdem genügt es nicht, sich eine teure Kaffeemaschine mit Dampfbrüh-Vorrichtung hinzustellen, wenn man dann Bohnen von Jacobs Meisterröstung reinschüttet. Dass dampfgebrühter Kaffee einem nicht die Kapillare veröden lassen muss, sieht man, wenn man wirklich hochwertigen Kaffee damit zubereitet.
Wir nehmen Dich mal mit zum primo ins Wirtschaftsgebäude auf dem Unicampus. Linda wird es bestätigen können :-)
Zwischen primo und diesen Ersatz für Waschbenzin aus der LBM liegen Welten *triumphales Gelächter durch den Raum schmettert*
Tja, zu den Schülern könnte ich mir denken, dass ihre Lehrer die allseits geha…ähm beliebte „und nachher schreibt ihr auf was ihr so erlebt habt“ Nummer abgezogen haben und da fühlten sich die meisten wohl verpflichtet doch mal über die Messe zu streifen.
AntwortenLöschenDie Kaffee Einladung (Das war doch eine? Oder?) nehme ich gern an. Du zahlst! Wann und Wo?
Das hört sich grausam an. Deswegen meide ich Messen. Schwitzende Menschenmengen die sich an mir reiben (und dann auch noch überteuerte abgestandene Filterplürre - da kann ich schon verstehen, dass die bisschen dampf-gepresste Alternativplürre besser ankommt).
AntwortenLöschenAber habt ihr denn was schönes mit gebracht?
Ach, mit den Leuten kommt man schon klar, die meisten Veranstaltungen haben wir ganz bequem verbracht. Bei meinem Ausflug sind der zu kleine Stand, mit dem prominenten Gast und dem speziellen Thema danach einfach ein unheilige Allianz eingegangen.
AntwortenLöschenMittgebracht haben wir nichts da wir beide eh noch einige Bücher im Rückstand sind. Ich würde den Grund des Besuchs eher als eine Mischung aus Informationsbedarf und Unterhaltung bezeichnen.