Freitag, 10. August 2012

George R.R. Martin: Das Lied von Eis und Feuer (Teil 5 & 6)


Also nun die Teile 5 und 6 „Sturm der Schwerter“ und „Die Königin der Drachen“ oder wie ich sie nennen würde: 4 Hochzeiten und deutlich mehr Todesfälle. George R.R. Martin macht die Wundertüte ganz weit auf und räumt dabei gleich einmal mit dem ausgeuferten Personal auf (was natürlich nicht heißt, das am Ende nicht noch mehr als genügend davon übrig bliebe). Eine mäandernde Fortsetzung eines großen Epos über alles was menschlich und wölfisch ist…   




Zur Reihe:

Bei „Das Lied von Eis und Feuer" handelt es sich um eine auf sieben Bände angelegte Reihe, von der bisher fünf englischsprachige Bände erschienen sind. Die deutsche Übersetzung teilt jeden Originalband in zwei deutsche Bücher auf:

3. "A Storm of Swords" („Sturm der Schwerter" & „Die Königin der Drachen")
5. "A Dance with Dragons" („Der Sohn des Greifen“ & „Ein Tanz mit Drachen“) 

Die amerikanische Fernsehserie Game of Thrones von HBO, behandelt bisher pro Staffel, also in 10 ca. einstündigen Folgen, zwei deutsche Bücher. Es sind bisher zwei Staffeln erschienen und die dritte Staffel wurde in Auftrag gegeben. Laut Wikipedia wird die dritte Staffel, aufgrund der verbreiterten Handlung aber nur noch den Inhalt eines deutschen Buches behandeln.    

A Storm of Swords:
„Die Götter haben die Erde für alle gemacht, damit die Menschen sie miteinander teilen. Dann jedoch kamen die Könige mir ihren Kronen und stählernen Schwertern und haben alles für sich beansprucht. Meine Bäume, haben sie gesagt, ihr dürft die Äpfel nicht essen. Mein Bach, ihr dürft hier nicht fischen. Mein Wald, ihr dürft hier nicht jagen. Meine Erde, mein Wasser, meine Burg, meine Tochter, lasst die Finger davon, oder ich schlage euch die Hände ab, aber vielleicht, wenn ihr die Knie vor mir beugt. Lasse ich euch ein wenig daran schnuppern.“
So lässt George R.R. Martin Ygritte, die Wildlings Geliebte von John Schnee*, sprechen und beweist damit auch wieder seine hin und wieder aufblitzende antiautoritäre Ader. Wäre dies hier eine durchschnittliche Fantasy Geschichte, dann würde Ygritte sicher Johns Frau werden, sie würden zusammen die Wache führen, den Norden erobern, dann würden sie heiraten, den Thron von Winterfell erobern und 10 Kinder machen. Bei Martin, endet Ygritte vielleicht auch 50 Seiten später mit einem Pfeil in der Brust im Kampf gegen eben diesen John Schnee. Oder vereinigen sie sich vielleicht doch wieder in ewiger Liebe?
Ein paar Seiten weiter muss eine blutjunges jungfräuliches Mädchen einen entstellten zwergwüchsigen Intriganten heiraten, der vorher mit besonderer Verve Ihren Ex-Verlobten, den durch und durch sadistischen jungen König provoziert hat. Da könnte man meinen Sie endet noch einmal 50 Seiten weiter, gequält und vergewaltigt oder kann sie etwa jungfräulich fliehen?

Was wenn dieser grausame König vergiftet wird und der frisch verheiratete Intrigant es gewesen sein soll? Wird er dann seinen Kopf verlieren? Kämpft wieder jemand für ihn in einem Gerichtskampf? Wird ihn seine geliebte Hure retten oder der Eunuch? Vielleicht vertraut er auch seinem tyranischen Vater und geht für immer an die Mauer?

Oder der König des Nordens, der rebellische Robb Stark mit seinem Schattenwolf. Er hat einen wichtigen Verbündeten beleidigt und fährt jetzt in dessen Burg zum Hochzeitsfest seines Schwagers. Der Verbündete wird die ganze Zeit als grausam und hinterlistig dargestellt. Also wird er dort folgerichtig hinterhältig erschlagen oder erobert er mit neuer Unterstützung den Norden zurück?

Davos, der nette freundlich sympathische Schmuggler wird von einer einsamen Insel gerettet und will aus Rache die Feuerpriesterin und liebste Dienerin seines Herrn töten und gleich noch einen unschuldigen Jungen vor dem Feuertod retten. Ereilt dann beide der Feuertod? Oder wird Davos im dunklen Kerker verhungern? Oder hört der König gar auf seinen Rat, die Priesterin ist nett und freundlich, alle überleben und retten zusammen die Welt vor den wilden Horden?

Das sind alles Fragen für die Martin ungewöhnlich kreative und (im Trauerfall - Leider) glaubwürdige Lösungen findet. In jedem anderen Roman gäbe es keine Frage, die Person mit dem meisten Charisma muss immer gerettet werden. Und Ygritte? Natürlich auch, diese Romanze in der Höhle war einfach zu romantisch. Das Dilemma von Spannungsromanen liegt meist in diesem Punkt, wirkliche Überraschungen gibt es nicht, weil zum Beispiel Sauron eben nur destruktiv ist, daher kann er einfach nichts erschaffen, er kann nur sterben. So wie Aragon gerade nicht sterben kann denn es gibt keine Alternative zu ihm. Es müsste also alles ganz einfach sein: Die Guten, oder wenigstens die Sympathischen, die Spannenden und die Lustigen, die überleben, aber die Grausamen und die öde Langweiligen, Diejenigen die nicht mal zu den mittlerweile acht Erzählern, dieser unendlich ausschweifenden Saga gehören, werden über kurz oder lang sterben. Aber hier ist es anders. 
Wenn Könige blutig heiraten, die Wildlinge vor der Mauer kampieren, Kinder tausende von Seiten lang immer wieder irgendwohin fliehen und doch nie ankommen, wenn Königinnen in aller Ruhe Sklaven befreien, statt endlich zum Endkampf zu schreiten, ja dann ist Unterhaltungszeit nach Art des George R.R. Martin. Auch dieser Teil ist nicht plötzlich zur Hochliteratur geworden und auch die alten Schwächen bleiben uns erhalten. Auch bleibt es dabei, das man manchmal denkt, die Reihe wäre nur eine Art von alternativer Pornographie, die mit Grausamkeiten ergötzt, wie die Gladiatoren die alten Römer. Bei näherem Hinsehen ist es allerdings doch komplexer, denn Martin hat eine auf grausame Art realistische Mittelalterwelt erschaffen, und die meisten Wendungen sind dabei so genial erdacht, das man das Ganze auch für eine „dreißigjähriger Krieg“ Doku halten könnte. Martin hat das beliebte Genre der Verbindung aus realer Geschichte mit Krimi/Abenteuer/Aktion/Erotik Einlagen, um das Wort „real“ erleichtert und dabei den wirklich großen Wurf gelandet. 
Ganz ehrlich muss man aber auch sagen, das dieser Roman viele Seiten braucht, um in Schwung zu kommen. Das liegt besonders daran das alle acht Erzähler ihre Geschichten erst einmal in Position bringen müssen außerdem gibt es anfangs einfach zu viele Varianten von „der Weg ist das Ziel“ Erlebnissen. Alle laufen irgendwohin um irgendwo anders anzukommen, um von dort wieder irgendwohin fliehen zu müssen. Dazu kommt noch das die Daenerys Geschichte, wie auch schon die aus dem letzten Buch, ziemlich dünn und sehr konstruiert ist und wieder nur von ihr, als Person, in der Art einer coming of Age Variante getragen wird. Speziell die als Deus ex Machina erscheinende Sklavenarmee, die sich Daenerys einfach mal so kauft, ist ziemlich frech erfunden. Doch im weiteren Verlauf spielt Martin seine Stärken wieder konsequent aus. Den Auftakt bildet dabei die bis dahin ziemlich dahingeschleppte Wanderungsgeschichte um das Mädchen Arya, die plötzlich wieder in düster unheimliche Magie verwickelt wird. Mit den Hochzeiten kommt auch die Spannung (siehe oben) zurück und schließlich fängt er ganz geschickt damit an die Geschichten miteinander zu verweben. Vier der Stränge führt er an der Mauer zusammen, vielen gibt er eine völlig neue Wendung, höchstwahrscheinlich (so genau weiß man das bei ihm manchmal nicht) beendet er eine endgültig. Wieder mal entpuppt sich dabei als besondere Stärke der Wechsel der Perspektive, der zwei Romane lang den Bösewicht gebende Jaime Lennister, wird zum menschlichen Wesen und der ängstliche Samwell Tarly gibt den ganz unheldischen, allerdings auch etwas bieder, langweiligen Sympathikus. Das ist überwiegend sehr unterhaltsam und die letzten 400 Seiten sogar eine grandiose Achterbahnfahrt und damit als Ganzes weiterhin sehr zu empfehlen.

* In der ersten Übersetzung hat man alle Namen im englischen belassen. Im Rahmen der Überarbeitung sind dann viele Namen, speziell die Namen der unehelichen Kinder wie „Schnee“ im Norden, „Sand“ im Süden oder „Stein“ im Osten eingedeutscht worden. Auf Amazon kann man dazu einige eher wütende Kommentare lesen. Ich sehe das so: Die Namen sollen darstellen, das jemand ein uneheliches, nicht anerkanntes Kind ist, ein Mensch ohne Namen, ohne Familie. Der Begriff soll ihn zeichnen und erniedrigen und das würde eine Nichtübersetzung gerade nicht leisten. Der Name „Snow“ klingt in den Ohren von Deutschsprachlern nicht unangenehm, sogar fast cool. Speziell der Spottname „Lord Schnee“ den ihm die Kameraden geben, soll sich eigentlich erst Stück für Stück in Anerkennung verwandeln, dass wäre mit einem englischen Namen nicht adäquat dargestellt.

1 Kommentar:

  1. Hihi,

    Deine Erklärung zur Verteidigung der Eindeutschung ist echt gut. Gerade bei Lord Schnee kann ich dir nur vollstens zustimmen!!! Da ist es eher schade, dass diese Namen in den ersten Auflagen noch nicht eingedeutscht wurden, das geht manchen Lesern wohl auf den Senkel, weil man sich "umgewöhnen" muss. Allerdings hast du mich überzeugt, so gesehen ist Schnee besser als Snow. Nur bei Kings Landings Übersetzung zu Königsmund schüttelt es mich. Wir übersetzten ja auch nicht alle Städtenamen. Da kann ich Quengler durchaus verstehen. Aber jetzt nur noch da :-D

    AntwortenLöschen