Der Teufel geht um im mittelalterlichen Köln. Zuerst konspirieren
reiche Kaufleute, dann stößt jemand den Dombaumeister vom Gerüst anschließend sterben
scheinbar wahllos Menschen durch eine unbekannte Waffe. Nur ein Mann kennt die
Wahrheit.
Tatort im Mittelalter kann das gut gehen?
Tod und Teufel ist das zweite Buch von Frank Schätzing, in gekürzter
Form veröffentlich zuerst im Emons Verlag im Rahmen einer Kölner Regionalkrimireihe
und nach dem Erfolg von „Der
Schwarm“ überarbeitet neuveröffentlicht im Goldmann Verlag.
Bei diesem Buch handelt es sich um einen reinrassigen
historischen Roman, angesiedelt im mittelalterlichen Köln beschreibt er einige
Tage im Herbst des Jahres 1260. Hauptfigur ist der Dieb Jacop, aufgrund seines feuerroten
Haares „der Fuchs“ genannt, der beim Äpfel Stehlen Zeuge des Mordes am
Dombaumeister Gerhard Morart wird und von da an von dessen teuflisch genialen Mörder,
einem mysteriösen Auftragsmörder namens Urquhart gejagt wird. Jacop bittet eine
junge Frau namens Richmodis um Hilfe, die ihn schließlich mit ihrem Onkel dem
Dekan und Gelehrten Jaspar Rodenkirchen bekannt macht, der Jacop hilft und im
Laufe des Romans immer mehr zur neuen Hauptfigur wird. Parallel zur Geschichte
von Jasper und Jacop wird die Verschwörung, die Grund für den Mord an Meister
Gehard ist, erzählt. Die Patrizier Familie der Overstolzens führt darin einen
Geheimbund, der nicht zuletzt aufgrund des Mordes an Gehard Stück für Stück
zerbricht aber unerbittlich von der verbitterten Witwe Bilthildis Overstolz und
ihrem ehrgeizigem Neffen Mathias Overstolz zusammengehalten wird.
Frank Schätzing hat mir viel Akribie ein lebendiges
mittelalterliches Köln erschaffen die gesamte äußere Handlung basiert dabei auf
historischen Fakten, so sind die Intrigen der Patrizischen Familien besonders
der Overstolzen mit den Erzbischöfen von Köln, als Teil der Kämpfe um die Unabhängigkeit
Kölns, die sich bis zu Schlacht von Worrington 1288 hinzogen, real. Der
mysteriöse Fall Gerhard Morarts vom Baugerüst des Doms ist ebenfalls überliefert
und begründete die Legende der mit dem Teufel im Bund stehenden verfluchten
Baumeister, die auch im Roman angerissen wird. Großen Raum nehmen daneben die
philosophischen Dispute dieser Zeit, im Roman stellvertretend durchgeführt
durch den Dekan Jaspar Rodenkirchen ein. Dieser Jaspar ist Anhänger der Lehren
des Petrus Abaelardus
die in Richtung der Aufklärung späterer Zeiten weisen und einen ersten Weg aus
der dogmatischen Deutung der christlichen Schriften aufzeigten. Anhand des
Mörders Urquhart kommen auch die Grausamkeiten der Kreuzzüge und die Frage nach
deren Vereinbarkeit mit den christlichen Lehren zur Sprache:
„Den Krieg, […] Das, was uns tötet im Augenblick, da wir töten. […] Wie
verächtlich gehen die Herrschenden über Worte hinweg, die den Krieg verdammen,
wie gelangweilt die Intellektuellen, weil diese Worte weder originell noch neu
sind Aber sie werden gelten, solange wir Kriege führen.“
Neben der mit viel Liebe zum Detail erzählten Welt stellt sich
der eigentliche Krimiplot dagegen als schrecklich dünn heraus. Viele Wendungen
wirken sehr konstruiert, obwohl der Gegner fast übermenschlich dargestellt und
von mächtigen Familien unterstützt wird, entkommen sowohl Jacop als auch Jaspar
immer wieder um Haaresbreite. Zur Erhöhung der Spannung verschweigen (oder
vergessen zu erwähnen, haben keine Zeit etc. pp.) die handelnden Personen
häufig Informationen voreinander und damit vor dem Leser aber trotzdem ist das
meiste vorhersehbar. Das eigentlich Ziel der Verschwörung wird bis zu den
letzten Seiten verschwiegen ist aber im Prinzip schon 200 Seiten vorher völlig
klar.
Große Schwierigkeiten hat der Autor auch damit das Denken seiner
Personen glaubwürdig in die Mittelalterwelt einzubetten. Zwar gestaltet er alle
Charaktere liebevoll und mehrdimensional aber er verlangt häufig zu viel von
ihnen. Jacop der Dieb ist ein ohne jegliche Bildung aufgewachsener Mensch denkt
aber fast modern, hat keine Probleme mit den für diese Zeit modernsten Formen,
des von Jaspar präsentierten logischen Denkens, durchschaut nach einigen
Erklärungen die komplexen politischen Zusammenhänge und ist dann auch noch
derjenige der das Ziel der Verschwörung entdeckt. Alle Hauptfiguren sind überraschenderweise
relativ frei von Aberglauben. Auch in den theologischen Vorstellungen bewegt man
sich exakt auf der Höhe der größten Denker der Zeit, der Vater von Richmodis
steht mit seiner Meinung zur Ohnmacht des sündigen Menschen im Sinne Augustinus bereits allein
da, Jaspars Meinung dazu:
„Alles ist gottgemacht, aber vielleicht ist nicht alles gottgewollt.
Vielleicht will Gott, dass wir selber wollen, dass wie nicht blind sind. […] Aber
zuallererst ist Gott der freie Wille der gesamten Schöpfung, die sich selber
immer wieder neu erschafft, und der freie Wille eines jeden Einzelnen.“
Das ist schön gesagt aber ein bisschen viel für eine
Diskussion zwischen einem ungebildetem Dieb und einem kleinen Dekan Anno Domini
1260. Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“, der sehr wahrscheinlich Vorbild
für diesen Roman war, spielt 1327 und stellt den Aberglauben und die Enge des
dogmatischen Christentums sehr viel glaubwürdiger dar.
Demjenigen der nach einem Buch wie auf dem Cover
versprochen: „Höllisch gut und teuflisch spannend“ sucht sei hier also nachdrücklich
abgeraten. Der Kriminalplot kann nicht überzeugen und schon gar nicht ist er
glaubwürdig in der mittelalterlichen Umgebung verhaftet. Stattdessen hat man es
hier mit einem hoch moralischen, gut erzählten und sehr genau recherchierten
Mittelalterroman zu tun, der viele interessante Sachverhalte zur Geschichte und
Politik Kölns, dem Leben der Menschen und den philosophischen Diskussionen der
Zeit bietet aber genau das sollte man auch mögen und suchen.
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