Heinrich Steinfest wurde in Australien geboren, ist aufgewachsen in Wien und lebt jetzt in Stuttgart. Die Haischwimmerin ist sein 15. Roman und wenn man diversen Literaturempfehlungen glauben darf, dann ist er einer der aktuell besten deutschen Kriminalautoren, gerade weil er keine ganz typischen Kriminalromane schreibt.
Beim Roman die Haischwimmerin handelt es sich um den Nachfolger zu „Die feine Nase der Lilli Steinbeck“ wobei ein Teil vor der Handlung und 2 Teile zeitlich nach der Handlung des Vorgängers angeordnet sind. Anders ausgedrückt der Roman erzählt die Vorgeschichte von Lili mit dem Fokus auf der traurigen Geschichte wie sie zu ihrer „Klingonennase“ gekommen ist, dann die Entwicklung ihres Ex Freundes und im dritten Teil die Wiedervereinigung der beiden Protagonisten.
Ivo Berg führt als Baumpfleger ein ruhiges Leben in Giesentweis, einem Dorf in der Nähe von Stuttgart. Er ist bekannt dafür schwierige Fälle zu übernehmen und die Probleme seiner Patienten zu lösen indem er beim Erklettern, man könnte es fast für einen erotischen Akt halten, das Gespräch mit dem Baum sucht, um so Hilfe leisten zu können. Diese Fähigkeiten haben sich herumgesprochen und so engagiert ihn ein Pharmakonzern aus Bremen eine neuendeckte Lärchenart, in der man neue medizinisch wirksame Verbindungen vermutet, am besten komplett und wachstumsfähig aus dem Norden Russlands nach Deutschland zu bringen. Unterstützt werden soll er dabei von einem dreizehnjährigen russischen Jungen in Pagenkleidung, der seine Deutschkenntnisse und seinen Namen Spirou dem intensiven Studium eines Comics verdankt, von Galina einer scheinbar taubstummen etwa fünfundzwanzigjährigen Suppenköchin, Matrix Filme Expertin und kaltblütigen Pistolenschützin und Professor Oborin einem Mystiker mit dem Spezialgebiet telefonieren ohne die dazu erfundene Infrastruktur.
Nachdem sich die Gruppe erfolgreich um die Gunst des Mafiapaten von Ochotsk bemüht und dem tiermörderischem und beinahe menschenmörderischen Treiben westlicher Mittelstandsbürger entkommen ist, gelangt sie schließlich in die unterirdische Verbrecherstadt Toads Bread (übersetzt Krötenbrot einem offenbar süddeutschen Begriff für den Fliegenpilz) in der ein Prostituiertenmörder sein Unwesen treibt. Morde sind unter diesen Verbrechern aber nicht erlaubt, daher hat man sich die Hilfe der deutschen Polizei in Form von Lili Steinbeck gesichert, die wiederum ihren Freund, den unverwundbaren übergewichtigen griechischen Detektiv Kallimachos mitgebracht hat. In diesem Versteck der Fliegenpilzsüchtigen laufen dann die Handlungsfäden zusammen.
Stilistisch ist Heinrich Steinfest mindestens so ausschweifend wie in den Wendungen seiner Geschichte. Die Story wird dominiert von langen umschreibungsreichen Sätzen, die immer wieder abschweifen, in Analogien und Epiphrasen schwelgen.
„Der sibirische Winter hingegen war weniger ein Kleid als eine Haut – ein Film, der sich über alles und jeden legte: ein Film in beiderlei Sinn des Wortes, also sowohl als eine dünne Schicht als auch als Projektion bewegter Bilder, Bilder vom Winter, die quasi in der Art veränderlicher Tattoos einen jeden Gegenstand und Körper illustrierten.“
Das hat schon etwas, wirkt zuweilen aber auch etwas geschwollen.
Ich war sehr gespannt auf diesen Roman, der wie sein Autor allseits hoch gelobt wurde und das erste Kapitel mit der faszinierenden Persönlichkeit der Lili Steinbeck hat mich dann auch ziemlich begeistert. Ein Krimi lebt eben immer von seinen handelnden Protagonisten, leider aber übernimmt ab dem zweiten Kapitel, das den größten Teil des Buches ausmacht, Ivo Berg. Ivo ist eine Art Gutmenschensuperheld, eine Mischung aus Dalai Lama und Winnetou, er kann Menschen im wahrsten Sinn des Wortes mit seinem Atem umhauen, mit Bäumen sprechen und ist süchtig nach homöopathischen Globuli. Das klingt lustig. Zum Beispiel könnte, die als Running Gag verwendete Globuli-Sucht, bei der er im Verlauf des Buches immer höhere Mengen auf einmal konsumiert, eine wunderbare Satire auf die manchmal inflationär verwendeten Drogen in der modernen Literatur sein, denn natürlich kann man von einem Placebo nicht süchtig werden aber das Ganze wirkt, wie die ganze Figur Ivo Berg total steif und wird an anderen Stellen nie aufgegriffen.
Das gilt auch für eine ganze Menge anderer Themen von gefühltem oder echtem gesellschaftspolitischem Belang so kritisiert er Fußball (ästhetisch und mit Kritik über die Fans), einfallsloses Essen am Beispiel von Pizza, die Pharmaindustrie, die Banken, etc pp. Nichts davon wird anderweitig weiterverwendet oder ausgeführt, manchmal ist es nur in irgendeinen Nebensatz gepackt und bleibt so natürlich leer. Eines der wenigen Beispiele die etwas weiter ausgeführt werden ist die Abneigung gegen die Jagd.
„Er war überzeugt, daß jeder Jäger ein Killer war. Man könnte sagen, ein von den Umständen bürgerlicher Aufklärung gezähmter Killer, der gezwungen war, anstatt auf kleine Kinder auf kleine Hasen, anstatt auf unliebsame Kontrahenten auf mächtige Zwölfender zu zielen.“
Wenigstens schreibt er am Ende „zielen“ statt „schießen“. Auch wenn ich persönlich das Jagen nicht schön finde, ist es in Deutschland ein anerkannter Beruf und für eine Verallgemeinerung: „Alle Jäger würden eigentlich lieber Kinder als Hasen erschießen“, sollte er schon gute Gründe haben. Wie alle diese Themen wird das Ganze aber nicht differenziert durchleuchtet, sondern Steinfest lässt seine Figuren einfach genau nach dem am Anfang der Begegnung gefällten Urteil handeln. Diese Jäger setzen also wirklich von jetzt auf gleich zur Menschenjagd an, das finde ich auf Dauer einfach nur ärgerlich.
Vielleicht liegt dieser Ärger auch dran, dass die eigentlich absurd komischen Begegnungen und übertriebenen Meinungen überhaupt keine Spur von Ironie oder Sarkasmus aufweisen. Ich glaube mein Ärger stieg in dem Maße, in dem ich zu glauben begann, dass hier überhaupt keine Monty Python Nummer erzählt wird. Was soll man aber davon halten, dass die Protagonisten mit Broten telefonieren, dass aber nicht witzig gemeint ist?
Mit der Zeit hat mich das bräsige, unglaubwürdige und nicht durchdachte Verhalten von Ivo und seinem Trupp dann richtig angeödet. Man latscht da ohne Plan durch die Taiga und bestätigt die Meinungen des Autors, das ist nicht spannend oder auch nur wenigstens interessant, ganz so als wüsste der Autor selbst nicht wie er die 150 Seiten bis zum eigentlichen Fall herumkriegen sollte. Das am Ende einfach eine Deus ex machina die Story löst, war mir dann auch schon fast egal obwohl das für einen Krimi mindestens so unverzeihlich ist wie Scherenschnitthelden.
Also auch wenn ich bestimmt gerade keine Werbung gemacht habe: Das Buch liegt hier und kann geborgt werden. Ich habe mal im Internet recherchiert und keine schlechtere Kritik als „es ist nicht sein bestes Buch“ gefunden also habe ich vielleicht einfach nur den tieferen Sinn nicht verstanden.
Wer will der widerspreche….jetzt!
Challenge accepted. Jetzt bin ich ja mal gespannt ;-)
AntwortenLöschenHm ja, also mit der Geschichte und insbesondere dem Ende der Geschichte weiß ich auch nichts anzufangen. Klingt tatsächlich so, als würde Steinfest die Handlung einfach von allein weiter fließen lassen.
AntwortenLöschenNur das mit dem ständigen moralischen Zeigefinger sehe ich nicht so eng, das meint der Autor meiner Ansicht nach wirklich nicht ernst sondern schäkert mit dem Leser herum.
Aber so insgesamt... hm. Bin auch ratlos.