Ich habe genug von Familiendramen. Ich habe genug vom Rumgeschreie im Haus. Ich habe genug von hysterischem Geheule, Nervenkrisen, Anfällen. Die heilige Familie. Heiliger Hort der Vergewaltigung. Heiliger Hort des Inzests. Heiliger Hort der Bauchhöhlenschwangerschaft. Heiliger Hort der künstlichen Befruchtung. Heiliger Hort des Preisvorteils. Heiliger Hort des Bauspardarlehens. Heiliger Hort des Satankults. Heiliger Hort des Familienkombis. Heilige Zustimmung des Familienrats. Heilige Erhaltung der Art. Einer Art von Karrieremachern, Diamantensuchern, Arschleckern, der auch ich angehöre, Seriennummer fünfmilliardenachthundertsiebenundneunzigmillionendreihundertzweiundvierzigtausendsechshundertelf oder so um den Dreh.
Der
namenlose Ich-Erzähler steht mit Einkaufstüten bepackt vor der
Damentoilette und wartet dort auf seine Frau/ Freundin. In diesem kurzen
Moment des Innehaltens wird ihm die Szene, in der er sich befindet, mit
einem Mal schlagartig bewusst: Rund um ihn herum stehen andere Männer
ebenso mit Einkaufstüten beladen und auf ihre Frauen vor der
Damentoilette wartend. Alle sind auf die selbe Weise nach einer
typischen Touristenmanier gekleidet und strahlen dasselbe weggetretene
Urlaubspflichtbewusstsein aus. “Endlich frei von Arbeit, endlich können
wir es uns mal ein paar Wochen lang gut gehen lassen - unabhängig davon,
dass es uns während des Urlaubs gar nicht gut geht. Aber egal, das
steht so im Drehbuch.” Wie krank, denkt sich der Ich-Erzähler und bevor
es für eine Flucht endgültig zu spät ist, verlässt er das
Einkaufszentrum und taucht im Gewühl der Großstadt unter.
Er mietet sich ein Zimmer und beschließt, sein bisheriges Leben völlig aufzugeben, sich in vollkommener Gleichgültigkeit zu ergeben. Eine Zeit lang reicht das Geld, was er bei sich hat, zum Leben. Ziellos fährt er mit dem Bus von Haltestelle zu Haltestelle zu Endhaltestelle zu Endhaltestelle, sitzt in Restaurants und beobachtet die Menschen, ruft wahllos Telefonnummern an. Seine Gedanken fühlen sich so wund und überempfindlich an. Er kann nichts mehr ohne seelische Qual ertragen - kein Gerede, keine Werbeplakate, nicht den Anblick von ordentlichen und anständigen Bürgern, gar nichts. Es scheint, als hätte ihn jemand mit Salzsäure übergossen und nun liegt der Protagonist schreiend da, wälzt sich im Schmerz, will von allen weit weg sein, schlägt helfende Hände ab und wünscht sich nur noch, dass es aufhört.
Das Geld reicht nicht ewig. Ohne Wohnung und ohne Essen lebt der Ich-Erzähler bald auf der Straße. Von dem anständigen, ordentlichen Leben (seinem früheren Leben) ist er endgültig so weit wie nur irgend möglich entfernt. Das Treiben der Großstädtler geht ihn nun nichts mehr an, aber diese neue Art der Freiheit hat er im Tausch gegen noch ein höheres Gut erhalten: Seine Würde.
Er mietet sich ein Zimmer und beschließt, sein bisheriges Leben völlig aufzugeben, sich in vollkommener Gleichgültigkeit zu ergeben. Eine Zeit lang reicht das Geld, was er bei sich hat, zum Leben. Ziellos fährt er mit dem Bus von Haltestelle zu Haltestelle zu Endhaltestelle zu Endhaltestelle, sitzt in Restaurants und beobachtet die Menschen, ruft wahllos Telefonnummern an. Seine Gedanken fühlen sich so wund und überempfindlich an. Er kann nichts mehr ohne seelische Qual ertragen - kein Gerede, keine Werbeplakate, nicht den Anblick von ordentlichen und anständigen Bürgern, gar nichts. Es scheint, als hätte ihn jemand mit Salzsäure übergossen und nun liegt der Protagonist schreiend da, wälzt sich im Schmerz, will von allen weit weg sein, schlägt helfende Hände ab und wünscht sich nur noch, dass es aufhört.
Das Geld reicht nicht ewig. Ohne Wohnung und ohne Essen lebt der Ich-Erzähler bald auf der Straße. Von dem anständigen, ordentlichen Leben (seinem früheren Leben) ist er endgültig so weit wie nur irgend möglich entfernt. Das Treiben der Großstädtler geht ihn nun nichts mehr an, aber diese neue Art der Freiheit hat er im Tausch gegen noch ein höheres Gut erhalten: Seine Würde.
Alle scheinen schwarz gekleidet zu sein, aber wenn man sich ihre Kleidung genauer ansieht, ahnt man, daß sie vor vielen Jahrhunderten eine andere Farbe gehabt haben muß, es ist nur der Dreck, der sie so uniform aussehen läßt. [...] Sie schlurfen mit den Schuhen über den Asphalt wie monströse, übelriechende, unförmige Schnecken. Ein paar schwarze Schnecken bitten die Passanten um Geld. Andere, die vielleicht schüchterner sind, haben sich ein Schild um den Hals gehängt, ICH HABE HUNGER. [...] Ob ich dazu fähig sein werde?
Das
gesamte Buch stellt eine Botschaft des Ich-Erzählers an den Autoren für
das Musterdrehbuch eines anständigen, ordentlichen Lebens (Schule,
Ausbildung, Beruf ausüben, Geld verdienen, Partnerschaft führen, Kinder
aufziehen, Freunde treffen, kommunizieren, lachen, Einkaufen gehen, Geld
ausgeben...) dar. Die Botschaft lautet: SCHEIß DREHBUCH, STECK ES DIR
SONSTWOHIN!
Die meiste Zeit gehen dem Protagonisten die verschiedensten Dinge durch den Kopf - Dinge, die er sieht, die er beobachtet, Erfahrungen oder Kombinationen daraus. Das ganze Leben - so wie er es bisher erlebt hat - wirkt mit einem Schlag so sinnlos auf ihn, trostlos und er findet sich selbst in dieser Welt nur als Schraube wieder, die irgendeine Funktion zu erfüllen hat. Jeder Mensch ist in dieser Welt nur ein Bauteil, niemand existiert aus reinem Selbstzweck. Jedem ist seine ganz persönliche Aufgabe auferlegt. Angestrengt will er sich nun aus dieser Rolle befreien, also seine auferlegte Funktion einfach abwerfen, überhaupt keine Funktion mehr ausüben, keinen Nutzen mehr haben und sehen, was passiert, nichts erstreben.
Aber Seelenfrieden bereitet ihm auch dies nicht. Die fleißigen Menschen scheinen die abtrünnige Schraube aus dem Getriebe zur Raison rufen zu wollen. Der Erzähler fühlt sich mit einem Mal von seinen ehemaligen Mitbürgern verfolgt, getrieben, ermahnt. Er selbst hat sich zwar seiner Last entledigt, aber die Welt um ihn herum ist dieselbe Maschine wie früher geblieben. Ein Bauteil ohne Funktion hat in diesem Getriebe nichts verloren. Die schwatzhaften Werbebotschaften der Einkaufszentren sind dieselben geblieben, die fleißigen und anständigen Bürger sind auch dieselben geblieben. Die Welt funktioniert genauso weiter wie bisher, nur dass der Ich-Erzähler nun selbst kein Geld mehr hat, um sich selbst Essen und Kleidung zu kaufen, sich zu waschen und zu frisieren.
Bla Bla Bla, das ist zum Einen die andauernde Geschwätzigkeit des Alltags eines anständigen und ordentlichen Bürgers (die Werbetafeln, klingelnde Handys, das Gequassel von Freundinnen im Café, die Dauerbeschallung aus dem TV, gehetzte Telefonate, Händeschütteln, freundlich tun) und zum anderen ist mit diesem Bla Bla Bla auch die innere Stimme gemeint, die fortwährend denkt und nicht verstummen will, diese innere Stimme, die immer laut mitspricht, wenn man gerade ein Buch liest oder seine Gedanken formuliert. Ohne Unterlass muss diese Stimme im Kopf alles verarbeiten, was das Gehirn aufnimmt, muss alles kommentieren und bewerten, muss alles schlecht reden, sich Gedanken machen und treibt ihren Besitzer in angstvolle Wahnvorstellungen.
Stilistisch diente dieses Geplapper womöglich als Vorlage. Culicchia schreibt sehr oft wie an einem Faden, hängt eigenständige Sätze hintereinander, lässt stellenweise einfach sämtliche Interpunktion weg, wiederholt Befürchtungen oder Gewissheiten mantraartig. Das Gefühl des panikartigen, ungebremsten Denkens, ständige Umkreisen, diese innere Unruhe des Ich-Erzählers kann man beim Lesen tatsächlich mitfühlen. Daraus entsteht schließlich eine Unwohlfühl-Stimmung, die sich durch das gesamte Buch durchweg hält. Sie macht den Roman auch aus - nicht die Handlung, die ist nur das zwangsläufige Ergebnis all dieser sturzbachartigen Denkprozesse. Also ein klassischer Vertreter des Nicht-Handlungsromans. Die Sprache ist sicherlich Geschmackssache, dafür aber energisch und ungeheuer atmosphärisch.
Die meiste Zeit gehen dem Protagonisten die verschiedensten Dinge durch den Kopf - Dinge, die er sieht, die er beobachtet, Erfahrungen oder Kombinationen daraus. Das ganze Leben - so wie er es bisher erlebt hat - wirkt mit einem Schlag so sinnlos auf ihn, trostlos und er findet sich selbst in dieser Welt nur als Schraube wieder, die irgendeine Funktion zu erfüllen hat. Jeder Mensch ist in dieser Welt nur ein Bauteil, niemand existiert aus reinem Selbstzweck. Jedem ist seine ganz persönliche Aufgabe auferlegt. Angestrengt will er sich nun aus dieser Rolle befreien, also seine auferlegte Funktion einfach abwerfen, überhaupt keine Funktion mehr ausüben, keinen Nutzen mehr haben und sehen, was passiert, nichts erstreben.
Aber Seelenfrieden bereitet ihm auch dies nicht. Die fleißigen Menschen scheinen die abtrünnige Schraube aus dem Getriebe zur Raison rufen zu wollen. Der Erzähler fühlt sich mit einem Mal von seinen ehemaligen Mitbürgern verfolgt, getrieben, ermahnt. Er selbst hat sich zwar seiner Last entledigt, aber die Welt um ihn herum ist dieselbe Maschine wie früher geblieben. Ein Bauteil ohne Funktion hat in diesem Getriebe nichts verloren. Die schwatzhaften Werbebotschaften der Einkaufszentren sind dieselben geblieben, die fleißigen und anständigen Bürger sind auch dieselben geblieben. Die Welt funktioniert genauso weiter wie bisher, nur dass der Ich-Erzähler nun selbst kein Geld mehr hat, um sich selbst Essen und Kleidung zu kaufen, sich zu waschen und zu frisieren.
Bla Bla Bla, das ist zum Einen die andauernde Geschwätzigkeit des Alltags eines anständigen und ordentlichen Bürgers (die Werbetafeln, klingelnde Handys, das Gequassel von Freundinnen im Café, die Dauerbeschallung aus dem TV, gehetzte Telefonate, Händeschütteln, freundlich tun) und zum anderen ist mit diesem Bla Bla Bla auch die innere Stimme gemeint, die fortwährend denkt und nicht verstummen will, diese innere Stimme, die immer laut mitspricht, wenn man gerade ein Buch liest oder seine Gedanken formuliert. Ohne Unterlass muss diese Stimme im Kopf alles verarbeiten, was das Gehirn aufnimmt, muss alles kommentieren und bewerten, muss alles schlecht reden, sich Gedanken machen und treibt ihren Besitzer in angstvolle Wahnvorstellungen.
Stilistisch diente dieses Geplapper womöglich als Vorlage. Culicchia schreibt sehr oft wie an einem Faden, hängt eigenständige Sätze hintereinander, lässt stellenweise einfach sämtliche Interpunktion weg, wiederholt Befürchtungen oder Gewissheiten mantraartig. Das Gefühl des panikartigen, ungebremsten Denkens, ständige Umkreisen, diese innere Unruhe des Ich-Erzählers kann man beim Lesen tatsächlich mitfühlen. Daraus entsteht schließlich eine Unwohlfühl-Stimmung, die sich durch das gesamte Buch durchweg hält. Sie macht den Roman auch aus - nicht die Handlung, die ist nur das zwangsläufige Ergebnis all dieser sturzbachartigen Denkprozesse. Also ein klassischer Vertreter des Nicht-Handlungsromans. Die Sprache ist sicherlich Geschmackssache, dafür aber energisch und ungeheuer atmosphärisch.
Auf der Lehne des Sitzes neben mir schlägt ein Aufkleber vor: WENN DU VON ZUHAUSE AUSGERISSEN BIST, RUF JEMANDEN AN, DER DICH LIEBT. Mit schwarzem Filzstift hat irgendwer hinzugefügt: JA, SAG IHM NOCH MAL, ER SOLL SICH INS KNIE FICKEN.
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