Die Presse berichtete, Tichy habe sich jemandes Hilfe bedient, ja er habe nicht einmal existiert und seine Werke soll eine Einrichtung geschaffen haben, ein sogenannter “Lem”. Gewissen extremen Versionen zufolge soll “Lem” sogar ein Mensch sein. Nun weiß aber jeder, der sich auch nur ein wenig mit der Geschichte der Kosmonautik befaßt hat, daß LEM die Abkürzung für die Bezeichnung Lunar Excursion Module ist, das heißt für den forschenden Mondbehälter, der in den USA im Rahmen des “Apollo-Projekts” (der ersten Landung auf dem Mond) gebaut wurde. [...] LEM war zwar mit einem kleinen Hirn (Elektronenhirn) versehen, doch diente dieses Gerät lediglich begrenzten Navigationszwecken und hätte nicht einen einzigen sinnvollen Satz schreiben können. (Vorwort)
Bei
den Sterntagebüchern handelt es sich um eine tagebuchähnliche Aufzeichnungen des Entdeckers und Forschers Ijon Tichy. Er beschreibt darin seine erlebten Raumfahrten, Abenteuer und sonstige interessante Erlebnisse. Die Geschichtensammlung befasst sich mit vielen Themen, die für einen Science Fiction Autoren
eine Rolle spielen. Diese Themen werden dabei überwiegend von
satirischer Seite betrachtet, durch den Kakao gezogen oder Lem regt
einfach auf humoristische Weise zur Skepsis an.
Typischerweise
findet das Thema der Gedankenspielereien und Zeitreise-Experimente
ihren Platz in den Erzählungen. Als Beispiel sei genannt die Geschichte
von der kaputten Hubvorrichtung, die Ijon Tichy allein nicht reparieren
kann. So lenkt er seine Rakete mitten in einen Gravitationsstrudel,
deren relativistische Effekte eine Zeitkrümmung hervorrufen, sodass
Tichy bald darauf selbst in mehrfacher Ausführung von verschiedenen
Wochentagen in seiner Rakete steht.
Ebenso
gern erhält die Religion ihren Auftritt. Besonders ergreifend dabei
sind die Klagen des Pater Lazimon, eines Dominikanermönchs, der die
ganze Galaxie mit christlichem Glauben beglücken will. Nun muss der
fromme Pater erkennen, dass es nicht nur unerhört vernunftaffine Völker
gibt, deren unerschütterliches Vertrauen in die Naturwissenschaft
absolut resistent gegen Bekehrungsversuche sind (ja, die im Gegenteil
ihre eigenen Missionare in technikbegeisterte Ingenieure verwandeln) -
nein, es gibt auch Planeten, deren Bewohner so treuherzig und brav sind,
dass sie den christlichen Glauben umstandslos anerkennen und
augenblicklich ohne Einschränkungen praktizieren. Sie legen die
Feldarbeit nieder und beten sie den ganzen Tag für ihr Seelenheil,
anstatt der sündigen Fleischeslust zu verfallen, sakristeien sie sich
und halten sich an den Zölibat. So ist diese Volk zwar ein
christianisiertes, aber zeitgleich ein von Hungersnot und vom Aussterben
bedrohtes Volk.
Seit zwei Jahrtausenden verkündet die Kirche den Vorrang der Seelenrettung vor den zeitlichen Dingen, aber niemand hat das wörtlich genommen, so wahr mir Gott helfe!
Auch
klassisch aber mit besonderem Misstrauen begleitet, tritt die
Technisierung und Robotronik in Lems Geschichten auf. Dazu erzählt er
manche unheimliche und schauerhafte Geschichten von Maschinen, die durch
völlig logisches Entscheiden und damit scheinbar fairen
Ausgangsbedingungen zu katastrophalen Ergebnissen kommt.
Eng damit verwandt sind die Themen der Philosophie. Allen voran die Frage, was einen Menschen überhaupt zum Menschen macht. Hierbei erhält unter anderem ein Kybernetiker seinen Auftritt, der ernsthaft eine Seele gebaut hat: Ein Gefäß, in dem das Bewusstsein eines Menschen für alle Ewigkeit aufbewahrt werden kann. Solcherlei Geschichten regen zum Gruseln an und stellen trotzdem richtigerweise in Frage, ob so etwas wie eine Seele überhaupt notwendig oder gar sinnvoll ist.
Eng damit verwandt sind die Themen der Philosophie. Allen voran die Frage, was einen Menschen überhaupt zum Menschen macht. Hierbei erhält unter anderem ein Kybernetiker seinen Auftritt, der ernsthaft eine Seele gebaut hat: Ein Gefäß, in dem das Bewusstsein eines Menschen für alle Ewigkeit aufbewahrt werden kann. Solcherlei Geschichten regen zum Gruseln an und stellen trotzdem richtigerweise in Frage, ob so etwas wie eine Seele überhaupt notwendig oder gar sinnvoll ist.
Auf
Kriegsfuß scheint Lem auch mit dem Kapitalismus zu stehen. An
mancherlei betont überspitzten Beispielen wird gezeigt, dass die exakte
Anwendung der Grundregeln des Kapitalismus nur zu Blödsinn führt. Meist
verbunden mit einer grundsätzlichen Überzeugung der Bevölkerung, dass
dieses System so aber genau richtig sei. So stellen die gefräßigen
Drachen von Ardenien für die Bewohner zwar eine dauerhafte
Lebensbedrohung und Geruchsbelästigung dar, aber die Fütterung dieser Drachen hat reihenweise
staatlich geförderte Projekte zur Anpassung der Infrastruktur und der Lebensmittelproduktion
ausgelöst. Die Wirtschaft würde zusammenbrechen, wenn es auf einen
Schlag keine Drachen mehr gäbe. Völlig richtig.
Besonders
oft und gern geht es den Gelehrten und ihrer wissenschaftlich
korrekten Arbeitskultur an den Kragen. Ihre nach strengen Richtlinien
vorgeschriebene Fachsimpelei, die so gern jeden Kontakt zum eigentlichen
Bezugssystem verliert, findet in vielerlei Varianten humoristisch
überzeichnete Gastauftritte. So etwa die Entdeckung einer seltsamen
Rasse, die gern Reisende überfällt und keine festen Körper zu besitzen
scheint. Eine Gewebeprobe ergibt, dass es sich bei diesen Lebewesen um
mobile Mutationen der Kartoffelpflanze handelt. Die Erklärungsversuche
für diese Entdeckung lesen sich etwa folgendermaßen:
Die Semantiker sagten, alles hänge davon ab, wie man die Worte “Kartoffel”, “ist” und “beweglich” verstehe. [...] Und sie gingen daran, eine Enzyklopädie der Kosmischen Semiasologie abzufassen, wobei sie in den ersten vier Bänden die operative Bedeutung des Worts “ist” erörterten.
Die Neopositivisten behaupteten, daß nicht Kartoffelknäuel unmittelbar gegeben seien, sondern Knäuel von Sinnesempfindungen - und sie schufen daraufhin logische Symbole, die “Empfindungsknäuel” sowie “Kartoffelknäuel” bezeichneten, stellten eine Satzrechnung aus lauter algebraischen Zeichen auf und gelangten, nachdem sie ein ganzes Meer von Tinte verschrieben hatten, zu dem mathematisch exakten und über jeden Zweifel erhabenen Ergebnis 0 = 0.
Es
geht in den Sternentagebüchern nicht darum, eine fantastische
Abenteuerreise zu schildern, denn die Fantasie steckt nicht in der
Vielfältiigkeit der bereisten Planeten (tatsächlich beschreibt Lem fast
alle Außerirdische als menschenähnlich und in den Illustrationen mancher
extraterrestrischer Bewohner kommt dem Leser der Knochenbau verdächtig
bekannt vor). Die Fantasie steckt hier in den Gesellschaftsstrukturen,
Ideen der Wissenschaftler, Probleme und Komplikationen mit anderen
Organismen oder Robotik.
Durch
das gesamte Buch zieht sich ein lakonischer Lem-Humor, der sich zum
einen in urkomischen Veräppelungen niederschlägt oder auch einfach durch
zusätzlichen Nonsens geschaffen wird. Wie die Erfindung von essbaren
Möbeln, Elektronikbauteilen und ganzen essbaren Raketen (in denen man
allerdings keine Kinder transportieren sollte). Während Ijon Tichy so
durchs All düst, klopft gern mal jemand an der Tür und will herein.
Nasse Raumanzüge werden zum Trocknen einfach außen an der Rakete
aufgehängt (und anschließend von räuberischen, weltalltauglichen
Kartoffelpflanzen stibitzt). Durch diesen lakonischen Humor wirken die
Erzählungen nie tadelnd oder predigend, obwohl sie größtenteils einen
nachdenklichen Kern besitzen.
In
den Erzählungen beschäftigt sich der Leser mit den Fragen, was einen
Menschen als solchen auszeichnet, ob man bei einer Reise in die Zukunft
älter wird, wie der kosmische Massentourismus auf fremde Welten reagiert
und ob man einen Planeten verhaften kann.
Eine
unvermeidliche Empfehlung für alle Anhänger der Sterntagebücher führt
natürlich zu der korrespondierenden zdf-Fernsehserie “Ijon Tichy”. Die
kultige Studenten-Produktion im Trash-Stil erzählt einige der Abenteuer,
die in den Sterntagebüchern geschrieben stehen - etwas verkürzt und mit
reichlich künstlerischer Freiheit (ich war geradezu schockiert, dass
die Analoge Halluzinelle nur eine Erfindung des
Ijon-Tichy-Drehbuchautoren ist). Wer sich dafür interessiert, kann sich
die Folgen (bisher gibt es zwei Staffeln) in der zdf Mediathek
anschauen:
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen