Sonntag, 15. Januar 2012

Judith Schalansky: Atlas der Abgelegenen Inseln


50 Inseln, 50 der abgelegensten Orte dieser Welt, jede mit einer ganz eigenen Geschichte, poetisch dort wo der Mensch sich zurückhielt, bestürzend, da wo die ganze Erbarmungslosigkeit der Menschen auf diesen kleinen Räumen verdichtet. So entpuppen sich Träume als Alpträume und das Niemandsland wird zur mystischen Geburtsstätte neuer Träume. Der Atlas der abgelegenen Inseln ein Coffee Table Book zum Verreisen mit dem Zeigefinger.


 





Zu Judith Schalansky habe ich hier schon einiges gesagt, da gibt es eigentlich nichts hinzuzufügen außer dem Dank an die Künstlerin selbst, für den netten Backlink und ein interessantes Interview von Aspekte kann man sich ruhig auch noch ansehen. Den Link zum Atlas der abgelegenen Inseln hatte ich auch schon im letzten Artikel aber was soll‘s.


Der AdAI besteht aus Darstellungen von 50 Inseln, die zwischen 0,8 und 297km² groß und mit Karten im einheitlichen Maßstab, Entfernungsangaben, Weltkarte und Texten versehen sind. Komplettiert wird das Ganze durch ein 20 seitiges zum Teil recht persönliches Vorwort in dem Judith Schalansky ihre Liebe zu Landkarten und einige zusätzliche Überlegungen zu den Inseln darbietet. Zum Buch speziell hervorheben muss man die wirklich geschmackvolle Ausstattung mit dem Mehrkomponenten Einband und den schönen verschiedenen Schriftarten, die mit orangen Gedankentrennungen und linkartigen Hinweisen unterbrochen werden. Das macht das ganze zum besonderen haptischen Erlebnis, das kann ein E-Book Reader nicht bieten.


Die Geschichten zu den Inseln sind immer nur eine Seite lang und dementsprechend kurz und lakonisch auf den Punkt gebracht. Es geht um Schiffbrüchige die elenden Todes sterben, Wahnsinnige die kleine Inseln beherrschen, den Menschen als wilden Zerstörer von Flora und Fauna und um einsame Natur mal schön, mal grausam.
Ich will hier keine der einzelnen Geschichten nacherzählen aber sie verbreiten einen Sog den man sich kaum entziehen kann. Die Kunst des Buches liegt darin in wenigen Worten Stimmungen zu erzeugen, ein lakonisches „Auf der Tristan da Cunha wächst kein Wein“ zerstört eine Idylle und eine einfache Beschreibung der Erkundungstour einer Gesellschaft der „Vogelfreunde“ sagt mehr über Menschen und Tiere als es erdichtetes Jägerlatein je könnte. Oder wie wäre es z.B. mit der langweiligen nordischen Seekuh:
„Seekühe sind von Natur aus zahm: Ist ihnen großes Leid geschehen, so tun sie nichts anderes, als dass sie sich vom Ufer entfernen, gar bald aber vergessen sie es und kommen wieder. Sie nähern sich dem Land oft so nah, dass man sie leicht streicheln aber auch totschlagen kann. Stumm ist dieses Tier, gibt keinen Laut von sich. Nur wenn es verwundet wird, seufzt es kurz auf.“
An beengten Orten vergeht was schwach ist. Das Buch ist nichts für empfindliche Gemüter, denn die Realität schreibt leider schreckliche Geschichten. Ungewöhnlich dabei und zum Teil das was den Schrecken wieder erträglich macht, ist ein Humor der fast automatisch sarkastisch geprägt ist indem er den manchmal offensichtlichen Absurditäten der Realität einfach nur Raum gibt. So heißt die Militärbasis auf Diego Garcia, die entstanden ist nachdem alle Ureinwohner vertrieben wurden, Camp Justice oder es lebten 1971 auf Sankt-Paul nur zwei Menschen, der Gouverneur und sein Untertan:
„Der Untertan spricht von ihm [Anm: dem Gouverneur] ausnahmslos als von einem sehr guten Menschen. Der Gouverneur beschreibt seinen Untertanen immer nur als einen durch und durch schlechten Menschen. Nie haben zwei Menschen besser zueinander gepasst“


Das Buch macht nicht viele Worte also will ich das auch nicht tun: Es ist, einfach aus dem Sessel heraus, die grausam realistische Reise um die Welt und durch das Leben  und somit viel mehr als ein Coffee Table Book.         

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen