Samstag, 17. März 2012

Leipziger Buchmesse 2012 - Spin-off


15:30 Uhr Sachbuch: Tea Party. Die weiße Wut. Was Amerikas Neue Rechte so gefährlich macht.
Autorin: Eva C. Schweitzer;  Moderation: Jan Feddersen

Hi, einen Vortrag auf der Leipziger Buchmesse haben wir getrennt genossen und da wie jeder weiß,  Männer seit der Entdeckung des aufrechten Ganges ihre Jagdausflüge abends am Feuer maßlos übertreiben, will ich da keine Ausnahme machen und habe meinen kleines Abenteuer hier als Glosse zusammengefasst. 
Viel Spaß dabei.

Da Oliver Uschmann bereits kurz vor 15:00Uhr fertig ist, bin ich mehr als überpünktlich am TAZ Stand bzw. ich bin ungefähr 10m vor dem TAZ Stand, dann ist Schluss, eine Traube von Menschen umlagert drückend und schiebend den Stand, in der zehnten Reihe stehen Menschen auf Zehenspitzen und fotografieren wild über alle hinweg, Beuteltierchen streifen neugierig um die Meute und gucken durch die Lücken, der Gang ist zu, der Stand daneben auch. Was ist passiert? Ist Joanne k. Rowling da? Nein, dann würden irgendwo Teenager kreischen.

Apropos Teenager, wie überall auf der Messe drücken sich auch hier regelmäßig Grüppchen von 3-6 ausnahmslos apathisch wirkenden jungen Menschen durch die Massen. Ausgestattet mit je einem Geschenkbeutel (pro Gruppe gibt es immer nur eine Variante; verschiedene Grüppchen haben aber verschiedene Varianten) schleichen Sie scheinbar ziellos umher. Nie bleiben sie stehen, auch sieht man sie in keiner Lesung sitzen, lediglich Fast Food schmausen kann man sie gelegentlich beobachten, so ziehen sie missmutig ihre Kreise bis der Bus sie wieder abholt. Einen Vorteil haben sie: An ihnen erkennt man das heute auf der Messe Karrieretag ist. Kann mal bitte jemand allen Lehrern in Leipzig und Umgebung mitteilen, dass es grausam ist arme Jugendliche, die Bücher nur aus den Erzählungen ihrer Eltern kennen, einsam und verlassen 8h lang im Kreis laufen zu lassen? Hoffnung verbreitet allerdings der Anblick des Pocket Parks, zwischen den Hallen, der sich mittlerweile in einen Schulhof verwandelt hat. Ein sonniger Tag mit Freunden am See, so behalten vielleicht Einige die Messe in guter Erinnerung und kehren irgendwann zurück wenn sie Interesse und nicht mehr Zwang treibt.
      
Aber ich schweife ab. Vielleicht ist Jussi Adler-Olsen (siehe hier Plätze 1, 7&8) am Stand? Das Publikum dazu passt irgendwie und Kapitalismuskritik und TAZ geht wohl auch zusammen aber die leise leiernde Stimme, die von drüben herüberdringt kommt mir anderweitig bekannt vor, nur ich komme nicht drauf. Also muss ich der Neugier nachgebend (ein Mann fragt selbstverständlich niemals andere Leute!), doch irgendwie nach vorn drängeln und dann, durch die Fensterscheibe des Abo Stands sehe ich und höre fast gleichzeitig, Heiner Geißler schwadronierend über Stuttgart 21.

Mein Gott, alle Deutschen sind gelangweilt von Politikern, vertrauen ihnen nicht und finden sie unsympathisch aber wenn dann mal einer da ist, dann benehmen sie sich wie die Briten wenn die Queen kommt. Interessiert sich eigentlich außerhalb von Stuttgart irgendwer für diesen Bahnhof? Aber vielleicht haben die Leipziger einfach Angst, dass Ihnen jemand die Bahnhofsarkaden wieder ausgräbt, schließlich haben sie auch einen Kopfbahnhof und eine tiefschwarze Landesregierung. Ein paar Minuten lang versuche ich irgendeinen ruhigen Platz zu finden, dann gebe ich es, das Geschiebe leid, auf und gehe neuen Kaffee holen. Ich erwische nur einen dünnen Aufgewärmten aus der Kanne aber immerhin gibt es in der Glashalle auch vernünftigen (und Ja, Antje hat schon Recht, ein bissl stark ist der aber wenigstens dampfgebrüht). Aber die Pommes aus der Glashalle vom FairGourmet Catering sind wahrlich bemerkenswerter als der Kaffee, so wundervoll weich, fettig und speckig, das sie auf der Zunge zerschmelzen und das alles völlig ohne Geschmack. Gibt es eigentlich ein Wort für Essen das sagt: Es ist schlechter als schrecklich aber komischerweise dabei nicht verdorben?

Wenigstens bleiben so ein paar Minuten zum Beobachten der zweiten großen Teenager Bewegung der Messe, der Cosplayer (Bericht aus der FAZ, Bilder & Bilder). Die sind eindeutig hier weil sie Spaß dran haben, auch wenn ich nicht weiß ob alle Eltern über die Bekleidung ihrer Töchter glücklich bzw. überhaupt informiert waren. Ist im Prinzip aber auch egal es fetzt alle paar Minuten wahlweise Elfen Harry Potters, Narutos, Katzenmenschen oder jede Menge anderer schräger Gestalten zu sehen. Dass nicht jede Figur zu jeder Kleidung passt kann man in Fußgängerzonen auch gut beobachten, da will ich die Cosplayer daher auch nicht dran aufhängen. Es nimmt der Messe auf jeden Fall jede Menge Affektiertheit.    

Bei der Rückkehr zum Stand ist es noch genau so voll, Heiner überzieht offenbar aber ich verstehe die Worte „noch zwei Fragen“ durch das Grundmurmeln, jetzt heißt es also Rockfestival Erfahrung ausspielen und klug nach vorn kommen während die Masse nach hinten flutet. Leider habe ich das Geschäft ohne die träge Büchermessenmasse gemacht, die nicht mal vor meinem schwankenden Kaffee Angst hat und wahlweise einfach sitzen bleibt, Motto egal was kommt Hauptsache Sitzplatz, Autogramme abholt (Ja das ist mein Ernst!) oder vielleicht überredet sogar die Prominenz von Jan Feddersen Menschen zum Bleiben? So oder so das Rückzugsverhalten ist jedenfalls festivalunwürdig oder ich aus der Übung, so kann ich die wenigen vereinzelten Lücken nicht richtig ausnutzen und versumpfe dann endgültig in der dritten Stehreihe vor dem Stand. Nicht so erfolgreich! Ganz schön eng hier und bei irgendjemand haben die Pommes auf die Verdauung geschlagen aber ein kritischer Blick zeigt nur unschuldige Gesichter da heist es jetzt einfach durchhalten.

Aber Schluss jetzt mit der Klage und nun zum eigentlichen Thema und das ist wie erwartet spannend und wird außerdem gut präsentiert. Eva C. Schweitzer wirkt sehr kompetent und bringt das Thema kurz und trocken rüber während Jan Feddersen die eher lockere Seite samt Stichwörtern gibt. Die Grundaussage des Buches fasse ich mal kurz zusammen:
Die Tea Party Bewegung, als eine Art außerparlamentarischer Opposition entwickelte sich parallel zu Immobilen Krise. Afroamerikaner und Hispanics hatten bis vor einigen Jahren kaum Möglichkeiten Häuser in den von Weißen dominierten Vororten zu kaufen bekamen diese Chance aber im Rahmen von neuen Gesetzen der Regierung Clinton. Leider waren unter diesen Krediten besonders viele mit den so zerstörerischen veränderlichen Zinssätzen so dass besonders viele von Ihnen platzten. Dies hat in der weißen Mittelschicht das falsche Gefühl erzeugt, das Sie mit dem Geld das in die Banken geflossen ist die Fehler der Afroamerikaner und Hispanics bezahlt haben. Hinzu kommt der schwarze Präsident der auch noch eine Krankenversicherung will. Die weiße Mittelschicht befürchtet nun, dass mehr Kranke in den Kassen wieder von Ihnen bezahlt werden müssen oder die jetzt schon nicht umfangreichen Leistungen sinken für Alle. Einige Industrielle haben die Bewegung von Anfang an auch finanziell massiv unterstützt und dabei diese Ängste massiv gefördert. Da, die in sich nicht homogene Bewegung aber keinen charismatischen Führer mit Chancen auf ein hohes politisches Amt hat weicht sie mittlerweile langsam wieder etwas auf. Einzigen Ersatz bietet aber nun der radikale Christ Rick Santorum dessen Ziele zwar nicht denkungsgleich mit der Bewegung sind, aber Macht ist wohl am Ende Macht. Santorum verfolgt eigentlich eher religiöse Interessen z.B. dem Verbot der Homosexuellen Ehe, dem Verbot von Abtreibung, dem Verbot von Verhütung etc. pp.

Nebenbei und privat: Was hat die Kirche eigentlich immer mit ihren Verboten an die sich nicht mal die Christen selbst halten? Ist das so ein Sühne/Strafe Sex Spiel?Ach Egal was reg ich mich auf...

Die Tea Party zielt dagegen, im Interesse ihrer Geldgeber auf wirtschaftliche und isolationistische Ziele und entwickelt dabei auch rassistischen Tendenzen, dieser Konflikt droht nun die Republikaner lahm zu setzten und damit auch die traditionelle Kompromisskultur der beiden Parlamente zu zerstören. Frau Schweitzer wies auf die Gefahr hin das Santorum als Kompromiss von Romney die Vizepräsidentschaft im Falle eines Wahlsieges angeboten bekommen könnte. Das kann einem schon Angst machen. 

Einige der Vorgänge sind für Europäer schwer nachzuvollziehen speziell da die Ziele und intellektuellen Grundlagen der Bewegung so dürftig erscheinen aber Eva C. Schweitzer kann mit vielen Anekdoten und Geschichten über und aus den USA sehr überzeugend ein Bild des heutigen Amerikaners und von dessen medialem Umfeld erzeugen. Schön zum Beispiel die Geschichte von  Sarah Palin, die, einen Tag nachdem Michelle Obama eine Empfehlung zu mehr Obst und Gemüse in der Schulspeisung herausgegeben hatte, es sich nehmen ließ, konträr dazu Zuckerplätzchen (!) an einer Schule in ihrer Nähe zu verteilen. Diese Geschichten beleben das Thema und somit scheinen mir beim Buch Fachinformation und Untermauerung gut in der Waage und damit das Buch auch insgesamt empfehlenswert zu sein.

Für alle Singles unter den Besuchern eignet sich der Stand der TAZ aber auch unabhängig von der Qualität des Vortrags, denn so viel Wärme und Körperkontakt bekommt man außerhalb sexueller Aktivitäten sonst nur noch beim Ringen.

5 Kommentare:

  1. Beuteltierchen :D So nennen Aussteller also Tüten-sammelnde Besucher ohne konkreten Interessefokus.
    Und die uniforme Werbegeschenkausstattung innerhalb der Schülergrüppchen ist mir nicht aufgefallen. Ich hab nur beobachtet, dass die Busladung Buchmesse-Verdonnerter ihr Schicksal zwar nicht fröhlich aber ergeben annahmen. Schlicht nach dem Motto: Ganz schön langweilig aber besser als Schule.

    Bin sowieso verwirrt, warum die überhaupt im Messetrubel herum gelaufen sind. Alle Veranstaltungen zum Motto Karriere fanden doch eigentlich in einer separaten Halle statt. Hm...

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  2. Achso: Zitat "Antje hat schon Recht, ein bissl stark ist der aber wenigstens dampfgebrüht"
    Bissl stark? D-:
    Und außerdem genügt es nicht, sich eine teure Kaffeemaschine mit Dampfbrüh-Vorrichtung hinzustellen, wenn man dann Bohnen von Jacobs Meisterröstung reinschüttet. Dass dampfgebrühter Kaffee einem nicht die Kapillare veröden lassen muss, sieht man, wenn man wirklich hochwertigen Kaffee damit zubereitet.

    Wir nehmen Dich mal mit zum primo ins Wirtschaftsgebäude auf dem Unicampus. Linda wird es bestätigen können :-)
    Zwischen primo und diesen Ersatz für Waschbenzin aus der LBM liegen Welten *triumphales Gelächter durch den Raum schmettert*

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  3. Tja, zu den Schülern könnte ich mir denken, dass ihre Lehrer die allseits geha…ähm beliebte „und nachher schreibt ihr auf was ihr so erlebt habt“ Nummer abgezogen haben und da fühlten sich die meisten wohl verpflichtet doch mal über die Messe zu streifen.

    Die Kaffee Einladung (Das war doch eine? Oder?) nehme ich gern an. Du zahlst! Wann und Wo?

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  4. Das hört sich grausam an. Deswegen meide ich Messen. Schwitzende Menschenmengen die sich an mir reiben (und dann auch noch überteuerte abgestandene Filterplürre - da kann ich schon verstehen, dass die bisschen dampf-gepresste Alternativplürre besser ankommt).
    Aber habt ihr denn was schönes mit gebracht?

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  5. Ach, mit den Leuten kommt man schon klar, die meisten Veranstaltungen haben wir ganz bequem verbracht. Bei meinem Ausflug sind der zu kleine Stand, mit dem prominenten Gast und dem speziellen Thema danach einfach ein unheilige Allianz eingegangen.

    Mittgebracht haben wir nichts da wir beide eh noch einige Bücher im Rückstand sind. Ich würde den Grund des Besuchs eher als eine Mischung aus Informationsbedarf und Unterhaltung bezeichnen.

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