Sonntag, 29. September 2013

Michael Szameit: Alarm im Tunnel Transterra

 
 Hier handelt es sich um den zweiten Teil der Sonnensteintrilogie.
2. Alarm im Tunnel Transterra
3. Das Geheimnis der Sonnensteine

Im zweiten Teil der Sonnensteintrilogie verlassen wir die Raumschiffcrew aus aus dem Auftaktroman. Diesmal haben wir es mit Inspektor Pyron zu tun, der unter dem Kommando des ruppigen aber geachteten Magister Spinks an Bord eines Raumschiffes mit dem bezeichnenden Namen Boxer seinen Dienst tut. Beide pflegen ein eher spannungsgeladenes Verhältnis zueinander, was in hinreichend vielen Szenen geduldig zelebriert wird.
Die einzige Figur an Bord, die von Anfang an für Interesse sorgt, ist der Pilot des Boxers namens Bob. Bei ihm handelt es sich um einen künstlich gezüchteten Menschen, dessen Gehirn so verstümmelt wurde, dass es allein nicht leistungsfähiger als das einer Katze ist. Nur wenn er sich mit einem Zentralcomputer vernetzt, entfaltet er eine beeindruckende Intelligenz. Trotz ihrer Fähigkeiten haben Synthome nicht mehr als den Status eines Sklaven inne. Sie dürfen mit Menschen nicht an einem Tisch essen, keine autonomen Entscheidungen treffen und ihre Leiber sind nicht nur im Gehirn derartig entstellt, dass neben ihnen jeder noch so durchschnittliche Mensch wie ein engelsgleiches Wesen aussieht.

Die Mission, mit der die drei Protagonisten betraut sind, gestaltet sich simpel: Die Sternkreuzer-Formation Helios soll sicher aus dem Weltraumtunnel Transterra geleitet werden. Tatsächlich steht der Formation auf ihrem Weg “nur” ein außerirdisches Flugobjekt im Weg. Dabei wird den Protagonisten klar, dass die Reäumung des Tunnels von dem Störkörper nicht die eigentliche Aufgabe ist, der sie sich stellen müssen.

Vornew
eg muss ich zugeben, dass ich von der Fortsetzung Szameits enttäuscht war und sie es dennoch nicht verdient hat, völlig verrissen zu werden. Das gesamte Buch beinhaltet zwei sehr grundlegende und interessante Konflikte. Gegenstand des ersten Konfliktes ist die Unterdrückung der künstlich erschaffenen Synthom-Kaste - ein zutiefst weltliches Problem, welches man nicht unbedingt als erstes in einem SciFi-Roman erwartet hätte. Tatsächlich hat sich unter den Synthomen eine Widerstandsbewegung gebildet, die nicht etwa die Gleichstellung ihrer Leidensgenossen mit den Menschen fordern sondern nichts Geringeres als die vollständige Auslöschung des Züchtungsprogrammes. Etwas derart Herabgewürdigtes sollte es nie wieder auf der Welt geben. Die rebellierenden Synthome gehen dabei nicht etwa rachsüchtig gegen die Menschen vor sondern kümmern sich um sie wie um verlorene Brüder.
Das zweite Thema, welches zwangsläufig auftritt ist der Kontakt mit dem außerirdischen Raumschiff. Der Autor macht es sich wie immer nicht leicht. Er lässt nicht einfach organische Wesen herumwuseln, die auf Knopfdruck mittels automatischen Sprachmodulator die Verständigung übernimmt. Stattdessen muss das Expeditionsteam nach mehreren erfolglosen Kommunikationsversuchen erst heraufinden, was Lebewesen und was höhere Intelligenz ist und wo beides zu finden ist. Erst danach stellt sich die eigentliche Frage: Nämlich wie das Rauschiff dazu zu bewegen ist, den Landeplatz im Tunnel Transterra zu räumen.
Obwohl beide Themen viel Gesprächsstoff bieten, finden sie im Roman nicht den Raum, den sie verdienen. Der Widerstand der Synthome wird zwar nach etwa einem Drittel des Romans eingeführt, aber richtige aufrührerische Handlungen entpuppen sich daraus nicht. Am Ende kümmert sich die Crew des Boxers darum, die Helios-Formation sicher zu geleiten - was sie auch getan hätte, wenn Magister Spinks das Kommando innebehalten hätte. Der ganze Aufstand nimmt hierbei also nur symbolischen Charakter ein, der uns Lesern sinngemäß sagen will “Die Synthome finden das nicht in Ordnung und rebellieren dagegen.” Punkt. Immerhin sorgt sie dafür, dass in den menschlichen Protagonisten eine selbstkritische Hinterfragung ihrer Moralvorstellungen stattfindet.
Mehr als diese beiden aufgeführten interessanten Konflikte gibt es im Prinzip nicht. Wenn sich das Buch über alle Seiten hinweg damit beschäftigen würde, wäre das völlig in Ordnung. Leider betreten die Helden erst im letzten Drittel des Buches das fremde Raumschiff, der Synthom-Aufstand bleibt wie schon erwähnt eher eine verwaltungstechnische Formalität und damit ballt sich alles Lesenswerte in die zweite Buchhälfte, die damit aber auch noch nicht ansatzweise gefüllt ist.

Sprachlich bleibt alles wie gehabt. Menschen sind einfach nicht Szameits Ding. Das merkt man zum Einen daran, dass sie meistens nicht wie Menschen kommunizieren oder reagieren. Sie folgen eher strengen Logiken, deren Durchdenkungsprozess dem Leser oft genug genau dargelegt wird. Lebendigkeit, Metaphern oder unlogisches, emotional gesteuertes Handeln wird man nicht finden. Die Sympathie zum Logischen zeigt sich generell im gesamten Konflikt der Synthome mit den Menschen. Hier sind Opfer- und Täterrolle schnell geklärt: Die Menschen sind die Verbrecher, die Ausbeuter und werden durch Rechtfertigungsversuche nach dem Schema “Aber uns geht es doch gut, warum sollten wir etwas ändern?” auf offensichtlichste Weise in ihrer Morallosigkeit entlarvt. Neben ihnen wirken die von Nächstenliebe volltrunkenen Synthome eher dazu berechtigt, die Bezeichnung Mensch zu tragen.
Auch ich fühle mich als menschlicher Leser so manches Mal für nicht ganz zurechnungsfähig gehalten, wenn der Autor mir folgende Beobachtung in dem Außerirdischen Raumschiff mitteilt:
Das Fehlen von Kohlendioxid machte mich stutzig. Das konnte nur eins bedeuten: Wir waren die einzigen lebenden Wesen an Bord!
Jeder, der dem Leser ein minimales Maß an Sachverstand zugetraut hätte, hätte die Erklärung an dieser Stelle beendet - denn im Prinzip ist alles Notwendige erklärt. Nur Szameit legt mit helfend ausgestreckter Hand nach:
Sonst hätte das Stoffwechselprodukt CO2 in meßbarer Menge feststellbar sein müssen. (S. 209-210)
Ach schade. Immerhin hat es der Autor mit seiner erneut überraschenden Fantasie zum absolut Fremdartigen erreicht, dass ich meine Enttäuschung über das Buch bedauere.

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