Mittwoch, 26. Oktober 2011

Stanislaw Lem: Fiasko

Der allseits bekannte Urvater der "sowjetischen" Science Fiction beschreibt in diesem Buch den vollständig scheiternden Versuch einer Kontaktaufnahme zu einer außerirdischen Zivilisation. Die Menschen der Zukunft haben mehrere belebte Planeten entdeckt, darunter auch die Quinta im Sternbild Harpyie. Eine bemannte Raumfähre soll diesen Planeten aufsuchen und mit den dort lebenden Bewohnern Kontakt aufnehmen. Ausgerüstet ist das Raumschiff mit einem leistungsstarken Bordcomputer mit dem bezeichnenden Namen GOD.


Angekommen an der Quinta passiert etwas, womit die Raumfahrer nicht gerechnet haben: Nichts. Versuche, auf dem Planeten zu landen, werden von den Quintanern mit Raketenabschüssen und Gegenangriffen beantwortet.
Anhand der Messungen und Beobachtungen reimen sich die Raumfahrer ihre eigene Theorie zusammen. Nach dieser Theorie gibt es auf der Quinta zwei verfeindete Großmächte, die in einem kalten Krieg gegeneinander stehen. Die Theorie wird sogar weiter entwickelt. Demnach sind irgendwann die Kampfroboter intelligent und aggressiv genug geworden, um ihre eigenen Schöpfer  zu unterjochen.
Als ein erneuter Versuch der Kontaktaufnahme mit Beschuss beendet wird, entscheidet der Kommandant, dass die Mission unbedingt weiter fortgeführt werden muss. Kontakt um jeden Preis. Als Demonstration ihrer Macht und Entschlossenheit sprengen die Astronauten den Mond der Quinta.


Eine besondere Faszination liegt in den Gedankengängen der Crew. Sie versuchen mit möglichst logischen Schritten zu rekonstruieren, was auf der Quinta von statten gehen mag. Der intelligente Bordcomputer rechnet ihnen vor, mit welcher Wahrscheinlichkeit die Quintaner welche Reaktionen zeigen könnten. Als Grundlage für diese Berechnungen dienen Informationen, die von den Besatzungsmitgliedern angenommen werden. Diese nüchternen und völlig logischen Schlussfolgerungen verleiten die Raumfahrer unmerklich zu einem immer radikaleren Denken und Handeln.
Trotz ihrer Bemühungen sehen sie nicht, dass sie zwar nach logischen Regeln handeln, aber es sind eben menschliche Regeln. Dieses falsche Denken verbunden mit dem beharrlichen Ziel, den Kontakt unbedingt herbei zwingen zu wollen, stürzt die Quintaner schlussendlich in die Katastrophe.


Diese fesselnde Erzählung bietet allerlei zum Nachdenken. Neben der anhaltenden Ungewissheit, die einige Crewmitglieder an den Rand des Wahnsinns treiben, stellt es die interessante Frage: Was wäre, wenn wir eines Tages wirklich fremde Zivilisationen treffen würden? Hätten wir überhaupt genug Gemeinsamkeiten, um uns miteinander zu verständigen (und worüber sollten wir uns unterhalten)?
Zum Vorm-Schlafengehen-Lesen ist das Buch nur bedingt zu empfehlen, da der Meister oft mit naturwissenschaftlichen Begriffen hantiert und auch gern mal seine futuristischen Fantasmen ausgiebig beschreibt (fast so, als würde es sie tatsächlich geben). Wer solche Passagen im Halbschlaf liest oder nicht wenigstens Interesse an der Naturwissenschaft zeigt, wird da schnell abgehängt. Wer dem Latein nicht mächtig ist, wird sich höchstwahrscheinlich ein Wörterbuch herbei wünschen, um die eingestreuten Sprichwörter verstehen zu können.

Ansonsten ist Fiasko ein fantastischer Roman, der sich mit einer breiten Palette an Themen rund um die Raumfahrt widmet und mit einer fast schon beängstigenden Glaubwürdigkeit den Wahnsinn einer irdischen Forschungsmission dokumentiert.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen