Dienstag, 17. April 2012

George R.R. Martin: Das Lied von Eis und Feuer (Teil 1 & 2)

Beim Titel des Buches wird vielleicht der ein oder andere Fragen: Fantasy ist das euer Ernst? Ja, denn Literatur ist nun einmal nicht immer nur Ernst, sondern manchmal einfach nur Unterhaltung, daher findet hiermit meine Urlaubszerstreuung seinen Weg in den Blog. High Fantasy einmal nicht wie „Der Herr der Ringe“ oder „Harry Potter“ sondern hart, brutal, ambivalent und gemein, wer die Serie gesehen hat wird wissen was ich meine. 
Da stellt sich eigentlich nur noch die Frage, lohnt es sich zu lesen oder sollte man lieber die Serie gucken?



Zur Reihe:

Bei "Das Lied von Eis und Feuer" handelt es sich um eine Reihe, fertiggestellt sind aktuell fünf englische Bände. Die deutsche Übersetzung teilt jeden Originalband in zwei deutsche Bücher auf:
1. "A Game of Thrones" ("Die Herren von Winterfell" & "Das Erbe von Winterfell")
2. "A Clash of Kings" ("Der Thron der Sieben Königreiche" & "Die Saat des goldenen Löwen")
3. "A Storm of Swords" (" Sturm der Schwerter" & "Die Königin der Drachen")
4. "A Feast for Crows" ("Zeit der Krähen" & "Die dunkle Königin")
5. "A Dance with Dragons" (noch nicht übersetzt)

Die amerikanische Fernsehserie Game of Thrones von HBO, behandelt bisher pro Staffel, also in 10 ca. einstündigen Folgen, zwei deutsche Bücher. Es sind bisher zwei Staffeln erschienen und die dritte Staffel wurde in Auftrag gegeben. Laut Wikipedia wird die dritte Staffel, aufgrund der verbreiterten Handlung aber nur noch den Inhalt eines deutschen Buches behandeln.

George R.R. Martin, Schriftsteller, Drehbuchautor und Produzent, schreibt seit der 1996 an etwas das wohl einmal sein Hauptwerk genannt werden wird, der Reihe „The Game of Thrones“ im deutschen bezeichnet mit „Das Lied von Eis und Feuer“. Es handelt sich um eine High Fantasy Reihe die auf sieben ca. 1000 seitige Bände angelegt ist, durch die Teilung im deutschen können wir also mit insgesamt 14 Büchern rechnen. Um wenigstens bis zu einem Zwischenergebnis lesen zu können, muss man also immer zwei Romane kaufen. In diesem Fall zeigt sich ein neuerdings häufiger zu beobachtender Nachteil der eigentlich vernünftigen deutschen Buchpreisbindung. Da der Gewinn pro Buch begrenzt ist, lohnt es sich für die Verlage möglichst viele Bücher auf den Markt zu bringen. Leider wird damit das Lesen der Serie auf Deutsch ein vergleichsweise sehr teurer Spaß.
Die Reihe war in den USA bereits sehr populär, führte in Deutschland aber lange ein Schattendasein, wurde eher gering ambitioniert übersetzt und mit abschreckend klischeehaften Covern versehen. Die „Empfehlung“ der „Romantik Fantasy Königin“ Marion Zimmer Bradley auf dem alten Umschlag kann man angesichts des harten, so gar nicht romantischen Fantasy Stoffs, wohl auch nur als ungeschickt bezeichnen. Mit der Veröffentlichung der sehr erfolgreichen TV-Serie ist die Reihe aber schick neu verpackt und überarbeitet an prominenter Stelle in jedem Buchladen zu finden (zu der jetzt genutzten „Empfehlung“ „Der amerikanische J.R.R. Tolkien“ opfere ich unten noch einmal einen Absatz).     

Es geht um eine mittelalterlich geprägte Welt mit einigen magischen Elementen wie Drachen, Nekromantie und Naturgeistern, die außerdem einem ungewöhnlichem Jahreszeitenrhythmus folgt, in dem zusätzlich zu den uns bekannten Jahreszeiten eine unregelmäßige, über ein oder mehrere Jahre dauernde Kälteperiode eintritt (im Wissenschaftsblog nebenan hat man sich ein paar mathematisch theoretische Gedanken zu einem solchen System gemacht). Eine neue Kälteperiode scheint nach einer zehnjährigen Warmzeit am Ende des ersten Buches anzustehen.

A Game of Thrones:
Soviel zur äußeren Handlung, in der inneren Handlung des ersten Romans geht es primär um Kriege, welche die Macht auf dem Kontinent Westeros bringen sollen. Der Kontinent wird von 7 Fürstentümern und einem darüber stehenden König regiert, leider ist der König aber ein alter regierungsunfähiger Säufer dem im Intrigenspiel am Hofe Stück für Stück die Macht entgleitet. Als letzte Hilfe holt er sich daher seinen alten und durch und durch ehrenhaften Freund Eddard Stark, den Fürst des Nordens als rechte Hand an seine Seite. Leider erscheint Eddard von Anfang nicht als der richtige Mann für diesen Job. Er müsste den Kampf mit der durchtriebenen Familie Lennister, den Herren des Westens, aus der auch die Frau des Königs stammt, führen, was mit Aufrichtigkeit allein ziemlich aussichtslos erscheint. So kommt es folgerichtig nach dem Tod des Königs zum Krieg zwischen den Häusern.
Ein roter Faden der gesamten Handlung wird gleich in den ersten Kapiteln gesponnen, das betrifft die 6 Kinder es Lord Stark. Bei einer Jagt entdeckt die Familie eine riesige tote Schattenwölfin, bei ihr finden sie 6 überlebende Welpen, die zur Pflege auf die Kinder verteilt werden. Die 3 grauen männlichen Welpen bekommen die drei legitimen Söhne, die zwei grauen weiblichen Welpen die Töchter und einen weißen Albino Rüden bekommt der illegitime Sohn. Die Kinder ziehen die Wölfe auf und diese werden zu engen Freunden der Kinder. Die Wölfe töten für ihre Herren und zwischen allen Kindern und den Tieren besteht eine immer stärker werdende geistige Verbindung. Einige Kinder können später in den Geist ihres Wolfes schlüpfen und diesen teilweise sogar beeinflussen. Speziell der junge Bran scheint ein besonderes Talent dafür zu haben. Das Bild des Wolfes der auch Wappentier der Starks ist zieht sich ebenfalls durch die gesamte Reihe um Verhaltensweisen und Kämpfe zu erklären und bildhaft zu untermalen. Sansa Stark verliert ihren Wolf frühzeitig und scheint sich daher auch etwas anders zu verhalten als ihre Geschwister.

Parallel zur Haupthandlung bahnen sich zwei noch größere Probleme an. Auf dem Ostkontinent haben die Kinder des vormaligen Königs, aus dem Geschlecht von Herren über Drachen, Zuflucht gesucht und finden dort mächtige Verbündete. In den eisigen Landen des Nordens entwickelt sich zur selben Zeit eine Bedrohung durch eine Art von Naturdämonen, wobei dieser Konflikt im ersten Buch noch recht dunkel und geheimnisvoll bleibt.         
 
So viel, so konventionell. Was macht nun das Besondere der Reihe aus? Als erstes fällt auf, dass der größte Teil der Handlung eher mittelalterlich unmagisch abläuft und in seiner Art an so etwas wie
mittelalterlichen Religionskrieg mit wechselnden Bündnissen, Intrigen und Bosheiten auf beiden Seiten erinnert. Auch wenn es eher gute und eher böse Parteien gibt, bleiben alle ambivalent, man will bei allen handelnden Gruppen nie alle Entscheidungen gutheißen, das schafft eine glaubwürdige Umgebung und führt dazu, dass man nie einem richtigen, einzelnen und unersetzbaren Helden folgt. Die magischen Elemente werden dagegen sehr vorsichtig eingeführt, entwickeln aber so eine besonders bedrohliche und gruselige Atmosphäre, die Szenen dienen als Highlights zwischen den konventionellen Konflikten und treben eine übergeordnete Geschichte voran. George Martin schreckt dabei völlig genreuntypisch nicht davor zurück, auch Hauptcharaktere sterben zu lassen. Das erzeugt zusätzliche Spannung, ist aber auch als Warnung zu verstehen, denn es kann wohl jeden treffen. Die Kapitel sind in der dritten Person aber abwechselnd aus Sicht einzelner Hauptpersonen geschrieben, so werden bestimmte Schritte von mehreren Seiten beleuchtet und man bekommt Erklärungen zu ihren Entscheidungen, gleichzeitig ist man so häufig in seinem Wissen den Protagonisten voraus und leidet in ihren Entwicklungen und Erlebnissen mit. Das Ganze ist insgesamt gefällig geschrieben ohne stilistisch zu beindrucken.

Kritik verdient lediglich die dann und wann zu genüsslich zelebrierte Gewalt, die einem schon einmal die Milch im Kaffee sauer werden lässt, im Gegensatz zur TV-Serie hält sich Martin mit ausschweifenden Sexualdarstellungen zurück, thematisiert Sex, mal mehr, mal weniger deutlich aber doch immer wieder, das sind also definitiv keine Kinderbücher. Ein wenig Probleme bereitet dem Autor ferner eine glaubwürdige Gefühlsdarstellung seiner Protagonisten, die Charaktere entwickeln sich mehr über ihre Handlungen als über ihr Innenleben, das führt zu einigen Entscheidungen die man schwer nachvollziehen kann, da sie der Logik in der Welt deutlich zuwiderlaufen. Diese Schwäche verhindert letztlich einen Ausbruch aus den Genregrenzen, manchmal sieht alles ein wenig zu sehr nach Drehbuch aus.  
    
Da so ziemlich jeder erhältliche Fantasy Roman auf dem Cover mit einem Tolkien Vergleich wirbt, dazu noch ein paar Worte: Die Ähnlichkeiten mit Tolkien beschränken sich auf die genreüblichen Dinge wie die eigene Welt, Einsatz von Zauber und Krieg gegen das Böse. Wenn man sich das Ganze aber im Detail ansieht, bleiben nicht viele Ähnlichkeiten über. Wo bei Tolkien edle Wesen durch die Lande streifen und Abenteuer im düster romantischen Wald warten, führen hier schon die Kinder Krieg und der ist so wie ein Krieg eben ist: Grausam, blutig und bar jeder Moral; wo bei Tolkien unfehlbare Helden die Welt retten machen hier Menschen Fehler, schätzen Lagen falsch ein, ist Ehre nicht immer die beste Lösung und ist der Mensch des Menschen Wolf; wo bei Tolkien die eine große Liebe wartet wird hier gefickt, vergewaltigt und werden politische Ehen geschlossen, dass es kracht; und wo bei Tolkien das Böse im Großen und Ganzen gesichtslos bleibt, steckt das Böse hier in Menschen mit Antlitz, es lächelt süß, es grinst böse und wenn es stirbt verbleibt es als traurig anzuschauende Leiche und wird nicht einfach zur Rauchwolke. Wer Romantik sucht, sollte am Vampir Regal abbiegen und wer eine erwachsene Fortsetzung für Harry Potter sucht, der sollte vielleicht einmal bei Patrick Rothfuss und seiner Königsmörder-Chronik reinsehen, hier ist er definitiv falsch.

Insgesamt also eine gute Wahl für erwachsene Genrefans. Die Bücher vereinigen einige gute Ideen, sind spannend und insgesamt solide Unterhaltung. Die Entscheidung fällt trotzdem schwer denn die Serie ist auch ziemlich gut. Vorschlag: Erst lesen dann gucken auch wenn die Spannung beim Kucken so zwangsläufig etwas abfällt.

2 Kommentare:

  1. Sehr schöne, ausgewogene Besprechung, danke dafür.

    "...im Gegensatz zur TV-Serie hält sich Martin mit ausschweifenden Sexualdarstellungen zurück, thematisiert Sex, mal mehr, mal weniger deutlich aber immer wieder, das sind also definitiv keine Kinderbücher."

    Das ist mir an der Serie auch sehr aufgestoßen. Das ist aber typisch HBO.

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  2. Bitte

    Ja, das stimmt schon auf HBO kann man sich in Sachen Sex immer verlassen, als Bezahlsender richtet man sich eben auch explizit an erwachsenes Publikum und will sich gleichzeitig vom offenen Programm absetzen. Mich stört es in der Serie aber auch eigentlich nicht, dazu ist der Rest viel zu großartig aufgemacht.

    Es fällt nur auf das Martin in den Büchern mit dem Thema sehr viel subtiler umgeht, häufiger geschickt Zweideutigkeiten streut ohne alles gleich auszuwalzen. In der Serie wird dagegen noch fröhlich dazu erfunden oder weiterinterpretiert, wenn der Stoff nicht ausreicht um pro Folge wenigstens eine Szene zu haben. Als Beispiele fallen mir da alle Bordellszenen mit Kleinfinger in Königsmund ein (die tatsächlich ziemlich aufgesetzt wirken) oder die explizit dargestellte homosexuelle Beziehung zwischen Renly und Loras Tyrell, später auch die Beziehung zwischen Stannis und Melisandre. Beide letzteren Beziehungen scheinen zwar Martin auch durch den Sinn gegangen zu sein, die Andeutungen sind schon recht deutlich, trotzdem wurden sie im Buch nicht dargestellt.

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