Dienstag, 22. Mai 2012

Arthur C. Clarke: 2001 - Odyssee im Weltraum

Inspiriert wurde der Roman von einer Kurzgeschichte namens “Der Wächter” von Arthur C. Clarke. Dessen Handlung lässt sich ganz kurz zusammenfassen: Ein Astronaut entdeckt bei einer Mission auf dem Mond ein seltsames Artefakt. Es sieht aus wie eine perfekte kleine Pyramide, die fest im Boden verankert ist. Er versucht, sich der Pyramide zu nähern, aber eine unsichtbare Kraft drückt sich ihm entgegen. Es scheint, als würde ein Bannkreis darum liegen und es vor Zerstörung beschützen.
Schlagartig wird dem Astronauten klar, welch großartige Macht diese Pyramide erschaffen und auf dem Mond platziert haben muss. Diese Macht muss zu hochentwickelten Wesen gehören, die den Menschen weit übersteigen. Der Verwüstung in der näheren Umgebung nach zu urteilen, haben diese Wesen ihr Artefakt schon vor Tausenden Jahren hier angebracht. Aber wozu?
Vielleicht, um zu herauszufinden, wie lange es dauert, bis die damaligen Affenwesen auf dem Planeten Erde auf dem Mond landen und dieses Artefakt finden würden. Bis dahin sollte der einsame Wächter hier warten und wenn der Augenblick dann gekommen sein würde, sollte er seine Erschaffer benachrichtigen. Es würde nun nicht mehr lange dauern, bis diese hier eintreffen werden.

Der Regisseur Stanley Kubrick war von dieser Idee derart beeindruckt, dass er mit Clarke zusammen ein Parallelwerk startete: Sie wollten die Grundidee vom Wächter ausbauen; Clarke schrieb ein Buch darüber, Kubrick drehte korrespondierend einen Film.
In beiden Medien startet die Erzählung zu dem Zeitpunkt, als die unbekannten Fremden die Erde entdecken. Unsere Vorfahren, affenartige Primaten, befinden sich in einer aussichtslosen Lage.

In diesem ausgetrockneten, ausgedörrten Land konnte nur der Kleinste oder der Schnellste oder der Zäheste gedeihen oder zu überleben hoffen. Die Menschenaffen der Steppe waren weder das eine noch das andere und unfähig, sich weiter zu entwickeln.
Bis plötzlich eines Tages aus dem Nichts ein glatter schwarzer Monolith auftaucht. Seine Gegenwart scheint in den Gehirnen der Affenwesen etwas auszulösen, was ihr Schicksal entscheidend beeinflussen wird.
Millionen Jahre später ist die Menschheit bereits hochtechnisiert. Auf dem Mond gibt es erste Kolonien und die Erkundung des Weltraums befindet sich im vollen Gange. Bei Forschungsausgrabungen stoßen Astronauten auf einen seltsamen Gesteinsbrocken. Er ist vollkommen schwarz, glatt und hat die Form eines perfekten Quaders. Das Material ist zu hart, um eine Gesteinsprobe zu entnehmen aber diese unnatürlich perfekte Form und Beschaffenheit des Materials lassen nur den Schluss zu, dass dieser Monolith nicht auf natürlichem Wege auf dem Mond entstanden sein kann, sondern von außen hierher gebracht wurde. Während die Forscher darüber grübeln, durchfährt sie der Schmerz eines unglaublich starken Impulses, der ihnen fast die Ohren ertauben lässt. Gleichzeitig messen Satelliten jenseits des Asteroidengürtels ein Störsignal, was vom Mond in Richtung Saturn zeigt.
Hierauf folgt die eigentliche Erzählung vom Astronauten Dave Bowman und seinem Kollegen Frank Poole, die sich in dem Raumschiff Discovery und einem neurologisch geschulten Bordcomputer namens HAL9000 auf den Weg zu dem Saturnmond Japetus begeben. Dorthin, so haben die Astrophysiker es berechnet, scheint das Signal des Monolithen gesendet worden zu sein.



Arthur C. Clarke bringt in diesem Buch gleich mehrere hochinteressante Überlegungen nacheinander auf den Tisch. Die erste Überlegung ist zugleich die beunruhigendste: Wurde unsere Entwicklung zum mächtigsten Lebewesen auf Erden wirklich nur durch Zufälle und natürliche Auslese herbeigeführt? Oder gab es da einen Lehrmeister, der uns ein wenig... nun ja, auf die Sprünge geholfen hat?
Die Überlegung klingt einigermaßen einleuchtend. Es könnte wirklich sein, dass eine Spezies gibt, die ihre eigene Entwicklung schon an den Rand des maximal Möglichen getrieben hat und die sich nun als Aufgabe gestellt hat, nach weiteren intelligenten Zivilisationen zu suchen. Was macht solch eine Spezies, wenn sie die absolute Perfektion erreicht hat, sie so intelligent geworden sind wie es nur eben geht? Was ist die nächste Stufe, Herrscher über das All oder das Erheben zum Gott?
Dazu hat sich Arthur C. Clarke Gedanken gemacht. Seine Ideen sind immer zum Teil bedrohlich (immerhin hat eine mächtige Zivilisation auch die Macht, große Zerstörung über die Welt zu bringen) und gleichzeitig besonders glaubwürdig, da niemand einfach nur gut oder nur böse ist. Für jede Tat gibt es eine Begründung und in der Summe sind sie völlig neutral. Hierzu zählt auch das gleichwohl technische wie auch menschliche Verhalten des HAL-Bordcomputers. Denn wie zu erwarten bringt ein Superhirn, in dem ein neuronales Netz die Psyche des Menschen nachahmen und verstehen soll, nicht nur Vorteile mit sich. Hier steht der Leser auch vor der Frage, wie hochentwickelt ein Computer sein sollte oder ob es irgendwo eine Grenze gibt, die man besser nicht überschreiten sollte.

Sprachlich lässt es Clarke gemächlich angehen. Die Geschichte wird in keiner besonders hohen Geschwindigkeit erzählt. Neben der üblichen SciFi-technikaffinen Art lässt er sich zusätzlich besonders viel Zeit, um Szenen zu beschreiben, Stimmungen wirken zu lassen. Das Elend der Affen, aus denen sich einmal die mächtigste Spezies des Planeten entwickeln sollte und die zu Anfang dem Verhungern nahe sind, bekommt recht viel Platz eingeräumt. Ebenso die Anfahrt des Wissenschaftlers Floyd, der sich den Monolithen auf dem Mond anschauen soll, die Technik der Raumschiffe, steril wirkende Verpflegung und Hilfsmittel, mit denen die Schwerelosigkeit an Bord ausgetrickst werden soll - davon vermittelt Clarke einen anschaulichen Eindruck. Die bedrückende Stimmung an Bord der Discovery, die sich auf dem Flug zum Saturnmond Japetus befindet, wird nicht direkt beschrieben - sie entsteht automatisch im Kopf des Lesers. Astronauten und Supercomputer gehen ganz höflich und sachlich miteinander um. Andeutungen, dass irgendetwas nicht stimmen könnte, werden eher klein geredet. In Kombination mit den finsteren Fantasievorstellungen des Lesers entsteht trotzdem eine bedrohliche Grundstimmung. Actionsequenzen sucht man (ebenso wie im Film) vergeblich; alles, was passiert, wird mit leiser aber eindringlicher Stimme beschrieben; nicht blutrünstig, nicht altklug.
Mir hat das Buch wirklich gut gefallen. Es trifft genau meinen Geschmack und nun bin ich mir auch noch ein Stück sicherer, dass Arthur C. Clarke ein ideenreicher, wissenschaftsinteressierter Autor ist, der seine Leser nicht unterhalten sondern ihre Vorstellungskraft auf eine herausfordernde Reise schicken will. Bezüglich des Unterhaltungswertes war ich mir nach “Das Lied der fernen Erde” etwas unsicher, nun aber restlos umgestimmt. Wer ScienceFiction mit viel Dynamik, Handlung und Geschwindigkeit liebt, dem wird dieses Buch womöglich zu langweilig sein. Für alle anderen ist es ideal.

Wie erwähnt, sind Kubricks Drehbuch und Clarkes Roman parallel entstanden und obwohl die Haupthandlung in beiden Medien fast vollständig gleich ist, sollen beide unabhängig voneinander betrachtet werden. Das heißt, der Film ist keine Verfilmung des Romans und der Roman ist keine Interpretationshilfe für den Film.
Trotzdem hat mir das Buch stellenweise dabei geholfen, Szenen aus dem Film zu verstehen (insbesondere das Ende, was bei Kubrick in einem infernoartigen Farbendelirium endet und den Zuschauer irgendwie ratlos zurücklässt). Wer den Film also kennt und während des Guckens ständig einen “Was zur Hölle...?”-Gesichtsausdruck aufhatte, dem kann Arthur C. Clarke etwas Klarheit verschaffen.

1 Kommentar:

  1. "Drei Verwandlungen nenne ich euch des Geistes: wie der Geist zum Kamele wird, und zum Löwen das Kamel und zum Kinde zuletzt der Löwe."

    Friedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra.

    Die Arbeitsteilung erhob den Menschen über den Tierzustand und die Qualität der makroökonomischen Grundordnung bestimmt den Grad der Zivilisiertheit, die der Kulturmensch erreichen kann. Ist die Makroökonomie noch fehlerhaft, bedarf es einer "Verwandlung des Geistes" (Religion), um diese Fehler und die daraus resultierende, systemische Ungerechtigkeit und Beschränktheit aus dem Begriffsvermögen des arbeitenden Volkes auszublenden.

    Die Religion (künstliche Programmierung des kollektiv Unbewussten) birgt wiederum die Gefahr, sich zu verselbständigen (Cargo-Kult), wenn es niemanden mehr gibt, der ihre wirkliche Bedeutung noch kennt. Die Fehler der Makroökonomie können dann solange nicht behoben werden, wie der Cargo-Kult andauert, selbst wenn das Wissen bereits zur Verfügung steht, um die ideale Makroökonomie und damit allgemeinen Wohlstand auf höchstem technologischem Niveau, eine saubere Umwelt und den Weltfrieden zu verwirklichen.

    Das "Kamel": zentralistische Planwirtschaft ohne liquides Geld (Ursozialismus)

    Der "Löwe": Zinsgeld-Ökonomie (kapitalistische Marktwirtschaft)

    Das "Kind": Natürliche Wirtschaftsordnung (Marktwirtschaft ohne Kapitalismus)

    Jüngstes Gericht

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