Sonntag, 11. Dezember 2011

Frank Schätzing: Tod und Teufel




Der Teufel geht um im mittelalterlichen Köln. Zuerst konspirieren reiche Kaufleute, dann stößt jemand den Dombaumeister vom Gerüst anschließend sterben scheinbar wahllos Menschen durch eine unbekannte Waffe. Nur ein Mann kennt die Wahrheit.



Tatort im Mittelalter kann das gut gehen? 

 

 

Tod und Teufel ist das zweite Buch von Frank Schätzing, in gekürzter Form veröffentlich zuerst im Emons Verlag im Rahmen einer Kölner Regionalkrimireihe und nach dem Erfolg von „Der Schwarm“ überarbeitet neuveröffentlicht im Goldmann Verlag.
Bei diesem Buch handelt es sich um einen reinrassigen historischen Roman, angesiedelt im mittelalterlichen Köln beschreibt er einige Tage im Herbst des Jahres 1260. Hauptfigur ist der Dieb Jacop, aufgrund seines feuerroten Haares „der Fuchs“ genannt, der beim Äpfel Stehlen Zeuge des Mordes am Dombaumeister Gerhard Morart wird und von da an von dessen teuflisch genialen Mörder, einem mysteriösen Auftragsmörder namens Urquhart gejagt wird. Jacop bittet eine junge Frau namens Richmodis um Hilfe, die ihn schließlich mit ihrem Onkel dem Dekan und Gelehrten Jaspar Rodenkirchen bekannt macht, der Jacop hilft und im Laufe des Romans immer mehr zur neuen Hauptfigur wird. Parallel zur Geschichte von Jasper und Jacop wird die Verschwörung, die Grund für den Mord an Meister Gehard ist, erzählt. Die Patrizier Familie der Overstolzens führt darin einen Geheimbund, der nicht zuletzt aufgrund des Mordes an Gehard Stück für Stück zerbricht aber unerbittlich von der verbitterten Witwe Bilthildis Overstolz und ihrem ehrgeizigem Neffen Mathias Overstolz zusammengehalten wird. 

Frank Schätzing hat mir viel Akribie ein lebendiges mittelalterliches Köln erschaffen die gesamte äußere Handlung basiert dabei auf historischen Fakten, so sind die Intrigen der Patrizischen Familien besonders der Overstolzen mit den Erzbischöfen von Köln, als Teil der Kämpfe um die Unabhängigkeit Kölns, die sich bis zu Schlacht von Worrington 1288 hinzogen, real. Der mysteriöse Fall Gerhard Morarts vom Baugerüst des Doms ist ebenfalls überliefert und begründete die Legende der mit dem Teufel im Bund stehenden verfluchten Baumeister, die auch im Roman angerissen wird. Großen Raum nehmen daneben die philosophischen Dispute dieser Zeit, im Roman stellvertretend durchgeführt durch den Dekan Jaspar Rodenkirchen ein. Dieser Jaspar ist Anhänger der Lehren des Petrus Abaelardus die in Richtung der Aufklärung späterer Zeiten weisen und einen ersten Weg aus der dogmatischen Deutung der christlichen Schriften aufzeigten. Anhand des Mörders Urquhart kommen auch die Grausamkeiten der Kreuzzüge und die Frage nach deren Vereinbarkeit mit den christlichen Lehren zur Sprache:

„Den Krieg, […] Das, was uns tötet im Augenblick, da wir töten. […] Wie verächtlich gehen die Herrschenden über Worte hinweg, die den Krieg verdammen, wie gelangweilt die Intellektuellen, weil diese Worte weder originell noch neu sind Aber sie werden gelten, solange wir Kriege führen.“  

Neben der mit viel Liebe zum Detail erzählten Welt stellt sich der eigentliche Krimiplot dagegen als schrecklich dünn heraus. Viele Wendungen wirken sehr konstruiert, obwohl der Gegner fast übermenschlich dargestellt und von mächtigen Familien unterstützt wird, entkommen sowohl Jacop als auch Jaspar immer wieder um Haaresbreite. Zur Erhöhung der Spannung verschweigen (oder vergessen zu erwähnen, haben keine Zeit etc. pp.) die handelnden Personen häufig Informationen voreinander und damit vor dem Leser aber trotzdem ist das meiste vorhersehbar. Das eigentlich Ziel der Verschwörung wird bis zu den letzten Seiten verschwiegen ist aber im Prinzip schon 200 Seiten vorher völlig klar. 

Große Schwierigkeiten hat der Autor auch damit das Denken seiner Personen glaubwürdig in die Mittelalterwelt einzubetten. Zwar gestaltet er alle Charaktere liebevoll und mehrdimensional aber er verlangt häufig zu viel von ihnen. Jacop der Dieb ist ein ohne jegliche Bildung aufgewachsener Mensch denkt aber fast modern, hat keine Probleme mit den für diese Zeit modernsten Formen, des von Jaspar präsentierten logischen Denkens, durchschaut nach einigen Erklärungen die komplexen politischen Zusammenhänge und ist dann auch noch derjenige der das Ziel der Verschwörung entdeckt. Alle Hauptfiguren sind überraschenderweise relativ frei von Aberglauben. Auch in den theologischen Vorstellungen bewegt man sich exakt auf der Höhe der größten Denker der Zeit, der Vater von Richmodis steht mit seiner Meinung zur Ohnmacht des sündigen Menschen im Sinne Augustinus bereits allein da, Jaspars Meinung dazu:

„Alles ist gottgemacht, aber vielleicht ist nicht alles gottgewollt. Vielleicht will Gott, dass wir selber wollen, dass wie nicht blind sind. […] Aber zuallererst ist Gott der freie Wille der gesamten Schöpfung, die sich selber immer wieder neu erschafft, und der freie Wille eines jeden Einzelnen.“       


Das ist schön gesagt aber ein bisschen viel für eine Diskussion zwischen einem ungebildetem Dieb und einem kleinen Dekan Anno Domini 1260. Umberto Ecos Roman „Der Name der Rose“, der sehr wahrscheinlich Vorbild für diesen Roman war, spielt 1327 und stellt den Aberglauben und die Enge des dogmatischen Christentums sehr viel glaubwürdiger dar.

Demjenigen der nach einem Buch wie auf dem Cover versprochen: „Höllisch gut und teuflisch spannend“ sucht sei hier also nachdrücklich abgeraten. Der Kriminalplot kann nicht überzeugen und schon gar nicht ist er glaubwürdig in der mittelalterlichen Umgebung verhaftet. Stattdessen hat man es hier mit einem hoch moralischen, gut erzählten und sehr genau recherchierten Mittelalterroman zu tun, der viele interessante Sachverhalte zur Geschichte und Politik Kölns, dem Leben der Menschen und den philosophischen Diskussionen der Zeit bietet aber genau das sollte man auch mögen und suchen. 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen