Sonntag, 4. Dezember 2011

David Benioff: Stadt der Diebe

Leningrad, 1942: die deutsche Wehrmacht belagert die russische Großstadt, das tägliche Leben kommt fast zum erliegen. Der 17-jährige Lew plündert die Leiche eines deutschen Soldaten. Darauf steht die Todesstrafe. Er wird von Polizisten entdeckt und ins Gefängnis gesteckt. Dort trifft er auf den etwas älteren Kolja. Die beiden lassen sich notgedrungen auf einen Deal ein: sie werden freigelassen, wenn sie innerhalb von 6 Tagen ein Dutzend Eier besorgen, die der Geheimdienstchef für die Geburtstagstorte seiner Tochter benötigt. Zur damaligen Zeit eine schier unlösbare Aufgabe. Kolja und Lew, das ungleiche Duo, macht sich also auf die Suche in einer geschlossenen Stadt, in der Leute gegen den Hunger, die eigene Armee, die Deutschen und noch gegen so manch andere Dinge kämpfen. Zum Glück hat Kolja viele Ideen, wo man Eier finden könnte. Bei der Umsetzung der Ideen müssen aber beide großes Geschick beweisen.

Das Buch katapultiert den Leser in das Kriegs-Russland und beschreibt die damaligen Lebensverhältnisse, die düstere Stimmung und den Kampf ums nackte Überleben. Es ist ein Abenteuerbuch, ein Buch über den Krieg, aber noch viel mehr: über Freundschaft. Die beiden ziemlich unterschiedlichen Protagonisten kennen sich nicht, aber teilen ein Schicksal und müssen eine äußerst schwierige Aufgabe innerhalb einer ziemlich kurzen Zeit erfüllen. Zwischen den beiden entsteht eine ungewöhnliche Freundschaft.

Das Buch ist spannend von der ersten bis zur letzten Seite. Es ist ein bisschen wie bei James Bond: stets stehen die beiden Hauptfiguren kurz vor dem Abgrund, aber irgendwie können sie sich dann doch aus den Situationen wieder befreien. Hektische Momente wechseln sich mit ruhigen Momenten ab. Man hört David Benioff, dem Geschichtenerzähler zu, wie er seine Geschichte zu erzählen hat. Subjektiv, ohne Pathos und glaubwürdig.

Besonders die Begegnungen mit den Deutschen bleiben einem im Gedächtnis. Man sieht vor seinem geistigen Auge, wie die Soldaten vor einem stehen und wie es ihnen Freude bereitet, Angst und Schrecken zu verbreiten. Die exzellente Beschreibung der Szenen kommt sicherlich auch daher, da Benioff hauptberuflich Drehbuchautor ist. Er schreckt aber auch vor sehr expliziten Beschreibungen nicht zurück. Der Krieg ist immer auch eine Tragödie. Eine persönliche Tragödie, die für viele schlecht ausgeht, für einige auch gut. Die Grenze zwischen gut und böse verschwimmt. Man kämpft auf einer Seite, aber hauptsächlich kämpft man doch für sich selbst. Um das eigene Überleben. Und bloß nicht an morgen denken, denn morgen kann schon wieder alles anders sein.

Ein Buch über Freundschaft im Krieg, das von seiner Spannung lebt. Gespickt ist es auch mit einer ganzen Menge Humor. 

1 Kommentar:

  1. Mmhh, das hört sich interessant an aber der letzte Satz verwirrt mich etwas. Der Humor kommt etwas plötzlich in die düstere Umgebung. In welcher Form äußert sich die Komik?

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