Dienstag, 15. November 2011

David Foster Wallace, eine absolut nicht authorisierte Biographie


David Foster Wallace der sich am 18.09.2008 das Leben nahm war wohl das was man gemeinhin ein Genie nennt. In seiner Jugend war er ein begabter Tennisspieler der es bis auf Platz 17 der amerikanischen Rangliste schaffte, zudem beendete er zum Teil mit besonderen Auszeichnungen seine Studien in Logik, Mathematik, Philosophie, Literatur und kreativem Schreiben und lehrte dann kreatives Schreiben und englische Literatur in Kalifornien.



DFW (die häufig gebrauchte Abkürzung für seinen Namen) litt seit dem 17. Lebensjahr an schweren Depressionen die ihn zu mehreren Selbstmordversuchen und längeren Phasen totaler Unbeweglichkeit nötigten (ein gut erzählter Spiegelartikel mit dem Fokus auf seine Krankheit). Im Rahmen dieser physischen Probleme sammelte er alle möglichen Drogenerfahrungen, die zusammen mit den Depressionen und diversen Phobien autobiographisch in sein Werk eingeflossen sind.


Die Abschlussarbeit seines Literaturstudiums bildet das Gerüst seines ersten Roman „Der Besen im System“ und handelt von einer Frau die Angst davor hat nur eine Figur in einer Geschichte zu sein. Sein Interesse für Logik und Mathematik manifestierte er im populärwissenschaftlichen Sachbuch Georg Cantor: Der Jahrhundertmathematiker und die Entdeckung des Unendlichen.
Übernationale Bekanntheit erreichte er mit dem Bestzeller und Monumentalwerk „Infinite Jest“ zu Deutsch „Unendlicher Spaß“, in dem er die Vergnügungssucht des modernen Menschen hinterfragte. Dieses Thema durchzieht wie ein roter Faden alle seine Romane. DFW charakterisiert eine Zeit in der die Endorphine die Droge der Massen und Muße zum Schimpfwort geworden ist aber die Überkomplexität gleichzeitig immer mehr Menschen überfordert. Die Droge in jeder Form ist zu leicht verfügbar, so dass die Lust am eigenen Amüsement zu „arbeiten“ verloren geht. In kleineren Formen des sozialen Zusammenlebens haben seine Figuren dagegen Schwierigkeiten eine gemeinsame Kommunikationsbasis zu finden und Wünsche zu artikulieren. So entstehen seine eigenartig gebrochenen Figuren allein, überfordert, abhängig und abgehängt, zu schwach um mitzuhalten.
Aus den letzten Jahren seines Lebens gibt es eine ganze Reihe sehr guter Kurzgeschichtenbände wie „Kurze Interviews mit fiesen Männern“, „In alter Vertrautheit“ und „Vergessenheit“, in denen thematisch alle „seine Baustellen“ behandelt werden. In „Vergessenheit“ gibt es wunderbare Darstellungen, zum Beispiel eine über die Schwierigkeiten von Kommunikation, in der sich ein Pärchen streitet, wer von den beiden nun den anderen vom Schlafen abhält, um schließlich in der Sache sogar Schlaflabore und Psychologen zu beschäftigen (aber Vorsicht der Satzbau dieser Story liegt bereits hinter der Wahnsinnsgrenze) oder eine über die moderne Medienlandschaft, in der anhand eines Künstlers dessen Stuhlgang figürliche Formen hat, gefragt wird was Fernsehen bereit ist zu senden, sofern man mit Einschaltquoten rechnet. Seine insgesamt sieben komisch nachdenklichen Erlebnisberichte für das Harper’s Magazine die zusammen unter „A Supposedly Fun Thing I'll Never Do Again“ erschienen sind, gibt es leider nicht vollständig auf Deutsch. Hier liegen nur „Schrecklich amüsant aber in Zukunft ohne mich“ und „Im Zeichen des Hummers“ als einzelne Bücher vor. Da hat wohl mal wieder die deutsche Buchpreisbindung zur Geldschneiderei geführt.

Seine Sammelwut für seltene, ja ausgestorbene Wörter, die Lust an komplexen Satzstrukturen, die überbordende Beobachtungsgabe und die Liebe zu Fußnoten machen sein Werk dabei nicht gerade leicht zugänglich offenbaren im zweiten Hinsehen aber eine unglaubliche Sprachgewandtheit und Miniaturen selten dagewesener Genauigkeit. Glücklicherweise haben sich die Übersetzer Marcus Ingendaay und vor allem Ulrich Blumenbach (wer mehr erfahren will) viel Mühe mit der Übersetzung gemacht, so das viel von dem Zauber fortbesteht und die Bücher trotzdem lesbar bleiben. Die Sprachspielereien werden eben nicht zum Spaß eingesetzt sondern dienen der Übertragung von Gemütszuständen und sozialen Zugehörigkeiten, so taucht man beim Lesen direkt in die Personen ein, wird quasi Teil von ihren Fehlern, Marotten und ihrem Klientel.    

Kurzum, sein Werk sei hiermit sehr empfohlen. In Kürze erscheint postum auch noch sein letztes großes Werk „The Pale King“ und Ulrich Blumbach soll wohl wieder übersetzten, das könnte noch einmal ein besonderes Erlebnis werden.

2 Kommentare:

  1. NOCH BESSER ist es so. Ja. ;-P
    Vielen Dank für diese (widerwillige) Anpassung an meinen spießbürgerlichen Ordnungssinn. Sieh es doch mal praktisch: Willst Du jedes Mal einen Abriss seiner Biografie einbauen, wenn Du ein DFW-Buch rezensierst? Ich finds so klasse.

    *Keks als Belohnung rüber reicht*

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  2. Vielen Dank wobei zum Fussball eher ein Bier passt aber danke für den Keks.

    Ich habe gleich die Gelegenheit genutzt noch einmal textlich zu erweitern.

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