Montag, 7. November 2011

Erich Kästner: ...was nicht in euren Lesebüchern steht

Hierbei handelt es sich um eine Sammlung von 66 Gedichten und Kurzgeschichten, die zwischen 1928 und 1957 entstanden sind. Thematisch widmet sich Kästner dabei unterschiedlichen Schwerpunkten, die er allesamt ohne Gnade entblößt.

Der Krieg spielt immer wiederkehrend eine große Rolle in seinen Werken. Zum Einen prangert er unsinnige Zerstörung an, zum Anderen wirft er den Anhängern des skrupellosen Regimes Stumpfsinnigkeit vor (man merkt deutlich, dass er die Zeiten des Nazi-Regimes miterlebt hat). Menschliche Makel wie Dummheit und Destinteresse erhalten erstaunlich viele Gastauftritte. Kästner greift die "Dummen" jedoch nicht mit Hass an, sondern beteuert ihnen ihr Mitgefühl und ermutigt gleichzeitig die Klugen zur Tapferkeit. Ein typisches Kästner-Motiv ist die Kindheit. Das Besingen der kindlichen Unschuld geht bei Kästners Werken fast nahtlos über in ein warnendes Mahnen. Er beschwört die Heranwachsenden eindringlich dazu, sich nicht manipulieren zu lassen, Vernunft anzunehmen bevor es zu spät ist. Seine Gedichte und Geschichten sind zuweil nachdenklich, manchmal erschreckend aber sie treffen die  Wahrheit im Kern.

Der Zweck und die Mittel
Oder Religion als Politik und Politik als Religion

Der Zweck, sagt ihr, heiligt die Mittel?
Das Dogma heiligt den Büttel?
Den Galgen? Den Kerkerkittel?
O schwarzumflortes Kapitel!
Fest steht trotz Schrecken und Schreck:
Die Mittel entheiligen den Zweck!


“Primaner in Uniform” erzählt von Schuljungen, die nach und nach für den Krieg einbezogen wurden und nun reihenweise dahin gerafft werden. Im “Märchen von der Vernunft” bringt ein lächelnder Herr vor der Zunft der Regierenden den Vorschlag, der Bevölkerung Häuser zu bauen, ihnen Schulen zu errichten, Straßen und jeder Familie ein Auto zu schenken. Die Kosten dafür seien genauso hoch wie die Kosten für den letzten Krieg. Daraufhin brechen die Herrschenden in amüsiertes Gelächter aus. Das “Eisenbahngleichnis” beschreibt das Leben als Eisenbahnfahrt. Immer wieder hält der Zug an, Neugeborene steigen ein, die Toten steigen aus und die Passagiere sitzen herum, machen dies und das - und niemand weiß, wohin der Zug geht.

Kästners unaggressiver, eher charmanter Stil, mit dem er zugleich die Übeltäter der verkommenen Gesellschaft punktgenau trifft, um sie der Lächerlichkeit preiszugeben, macht ihn so glaubwürdig und gleichzeitig sympathisch. Er wirkt wie ein beobachtender Dritter, der fassungslos die Zustände beobachtet und nicht weiß, wo er mit seiner Kritik beginnen soll. Auf die Unmenschlichkeit richtet er seinen Zeigefinger, bleibt dabei aber selber menschlich - prangert an, ohne die Angeprangerten auszupeitschen. Manchmal scheint es, als fühle er sich als einziger Moralist umgeben von einer Welt voller Hass, Ungerechtigkeit und Blödsinnigkeit.

Erich Kästners Name bringt man zwar in erster Linie mit seinen Kinderbüchern in Verbindung, jedoch war er ein ebenso guter Satiriker. Seine eigenen Ansichten zu diesem Beruf kommen in diesem Buch klar und beeindruckend bildhaft zur Ansprache.

Die Satire gehört, von ihrem Zweck her beurteilt, nicht zur Literatur, sondern in die Pädagogik! Die satirischen Schriftsteller sind Lehrer. Pauker. Fortbildungsschulmeister. Nur – die Erwachsenen gehören zur Kategorie der Schwererziehbaren. [...] Denn sie sind ja längst aus der Schule und wollen ihre unverdiente Ruhe haben. [...] Die Poesie sei zum Vergolden da. Mit dem schönen Schein gelte es den Feierabend zu tapezieren. Unbequem sei bereits das Leben, die Kunst sei gefälligst bequem!

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