Ein Thriller der gleichzeitig ein historischer Roman sein
will? Ein Roman über Liebe und Wahnsinn? Ein Polizeikrimi und eine
Gesellschaftssatire? Hollywood und Tijuana? Geht das wirklich alles zusammen in
ein Buch? Na ja doch, irgendwie schon, aber da muss der Autor schon der größte
Kriminalautor aller Zeiten sein oder zumindest der mit dem größten
Selbstbewusstsein!
Der grausame Mord an Elizabeth Short 1947 in
Los Angeles erschuf einen Stoff der bis heute die Fantasie der Amerikaner umtreibt
wie der von Jack the Ripper die der Europäer. So lebt die Geschichte weiter,
nicht zuletzt weil James Ellroy dem realen Mordfall eine fiktive Lösung gab und
ihm damit noch mehr Spannung verlieh. Der Mord ist immer noch so faszinierend gruselig,
dass Brian de Palma die Geschichte 2006 mit Josh Hartnett und Scarlett
Johansson verfilmte und das Material 2011 Teil des Computerspiels L.A. Noire
wurde.
Worum geht es im Buch? Dwight „Bucky“ Bleichert der
Ich-Erzähler des Romans, ist ein Ex Boxer, der versucht, sich im Polizeidienst
des Los Angeles der 40er Jahre nach oben zu arbeiten. Die Chance dazu bietet
ein Angebot von ganz Oben. Er soll für gute Publicity der Polizei von L.A.
sorgen, indem er einen Showkampf gegen Leland „Lee“ Blanchard, einem in der
Fahndung arbeitenden anderen ehemaligen Boxer, bestreitet. Der Preis ist das
Ende des Streifendienstes und der Einsatz in der Fahndungsabteilung. Bucky
nimmt an, wird Partner von Lee und begegnet damit auch dessen Freundin Kay
Lake. Aus diesen Dreien entwickelt sich eine schwierige von unterdrückten
Gefühlen geprägte Dreiecksbeziehung, die schon bald vom spektakulären Mordfall
Elisabeth Short zusätzlich belastet wird.
Auf einem leeren Grundstück wird die Leiche einer in der
Mitte zerteilten Frau gefunden, erste Untersuchungen ergeben, dass die Frau
viel Stunden gefoltert und schließlich ausgeweidet und zerstückelt wurde. Der
Fall wird schnell von der Presse hochgespielt und die junge Frau bekommt wegen
ihres Auftretens in schwarzer Kleidung und ihrer besonderen Schönheit den Titel
die schwarze Dahlie verpasst. Lee und Bucky werden zu der einhundert Mann
starken Sonderkommision versetzt und arbeiten dort von Anfang an mit mehr
persönlichem Einsatz als für beide gut sein kann. Sie verstricken sich auf
unterschiedliche Weise in die Ereignisse und parallel holen Kay und Lee auch
noch die dunklen Geheimnisse ihre Vergangenheit wieder ein. Speziell Bucky
ermittelt daher, auch als Interesse und Aufwand der Ermittlungen aufgrund
fehlender Erkenntnisse abflauen, auf eigene Faust weiter.
James Ellroy hat einen historischen Roman über die 40er
Jahre geschrieben und hält sich was die Ermittlungen und Erkenntnisse der
Polizei angeht weitgehend an die historischen Tatsachen. Darauf aufbauend setzt
er fiktive Ermittlungsergebnisse, der fiktiven Personen Lee Blanchard und Bucky
Bleichert, dabei phantasiert er scheinbar nach dem Motto, ist die Wirklichkeit
zu langweilig dann kann sie so eben nicht gewesen sein im Stil einer modernen Verschwörungstheorie.
Das Ergebnis ist ein aufregender fiktionaler Roman mit einer dichten und
düstern Atmosphäre in dem alle handelnden Personen moralisch fragwürdig
handeln. Speziell wird Polizeiwillkür und Gewalt thematisiert, die sich so fast
logisch aus dem dort dargestellten amerikanischen Strafverfolgungssystem
ergibt. Bei der Polizei dreht sich alles um Festnahme- und Verurteilungsquoten, die mit
entsprechd radikalen Mitteln durchgesetzt werden. Die Gesellschaft ist von Rassismus
geprägt und der Staat lässt Lücken im System, in denen die Reichen und Mächtigen
sakrosankt hocken, wie Maden im Speck.
Ich empfand den Roman „Die Schwarze Dahlie“ so als eher
ambivalentes Lesevergnügen opulenter Historienkrimi und klischeebehaftete
Fiktion in einem.
Eine wahrhaft düstere Welt die da erbärmlich im Schatten des
Hollywoodglanzes liegt. Das Buch weiß durch viele Wendungen, geheimnisvolle
Figuren und die düsterer Kulisse durchaus zu überzeugen und Bucky Bleichert
wächst einem in dieser Welt ans Herz, denn er will dieser armen Elizabeth die
Ehre erweisen ihren Mörder zu stellen und das obwohl schnell klar wird, dass er
damit alles aufgeben muss das sein Leben bisher ausmachte. Das einer gegen alle
Prinzip funktioniert soweit ganz wunderbar aber kritisch anmerken will ich,
dass mir am Ende alles ein wenig zu viel war, eine Wendung zu viel, eine
Grausamkeit zu viel, eine „Polizist prügelt ein Geständnis aus einem
Verdächtigen heraus“ Szene zu viel und vor allem eine „reiche und mächtige Menschen
sind pervers“ Botschaft zu viel. Vielleicht wäre das alles nicht so schlimm
wenn dieser Roman nicht halbfiktional angelegt wäre. Chronik und Erfindung
mischen sich somit ständig und ließen mich ratlos und ziemlich deprimiert
zurück. Man merkt das James Ellroy die Realität langweilt (einen
schönen Eindruck seiner Persönlichkeit gibt es hier) und ich weiß nicht ob
das immer hilfreich ist.
Faszinierender Typ, dieser Ellroy. Ich bin mir nicht sicher, ob ich mir trotz dieser überkandidelten Tendenz mal eines seiner Bücher angucken soll. Tolle Buchkritik!
AntwortenLöschenDer Betrug liegt darin die Realität für die eigene Glaubwürdigkeit zu missbrauchen. Als Zeitbericht gelesen sagt man sich: „Na ja so war das halt damals“ und gut ist es aber in einem Roman kann man nicht einfach alle verrückt und böse machen ohne das auch psychologisch nachzuvollziehen. Letztendlich sind es eben dann doch nur Klischees.
AntwortenLöschenIch habe noch ein Zitat wie die reiche Familie vorgestellt wird:
„Neben dem Kamin stach mir ein ausgestopfter Spaniel ins Auge. […] Balto war damals unser Hund, unser Liebling. Daddys Buchhalter rief an und sagte: Emmett, du bist Millionär. […] Daddy wollte dem Augenblick etwas Denkwürdiges verleihen, und er erschoß ihn.
Tja so lebt es sich in der Oberschicht. Irgendwie muss man doch die erste Million feiern. Oder?
Die Geschichte kommt mir aus irgendeinem Grund bekannt vor :D
AntwortenLöschenAber ja, so ungefähr scheint das Ellroy-Universum zu funktionieren. Was für ein Typ.
Na ja was mache ich mir da überhaupt Gedanken:
AntwortenLöschenhttp://www.lovelybooks.de/leserpreis/2011/
Schau dir mal die Leserpreise Krimi an...
*g*
AntwortenLöschenDiesen Autoren ist die Realität des Verbrechens auch zu langweilig. Einfach nur jemanden umbringen, das kann ja schließlich jeder.