Sonntag, 13. November 2011

Minette Walters: Der Schatten des Chamäleons

In London ist es zu zwei Morden gekommen, die höchstwahrscheinlich in Zusammenhang miteinander stehen. Die Opfer sind beide männlich, mittleren Alters, führen eine Ehe, haben aber gleichsam hin und wieder homosexuelle Affären. Die Opfer wurden zu Tode geprügelt. Bei ihrem Auffinden befanden sie sich in einer gebückten Haltung mit entblößtem Gesäß. Die Polizei beginnt die Ermittlungen in der Schwulenszene.


Bei einem Bombenanschlag im Irak kommt der junge Lieutenant Acland mit schweren Verletzungen davon. Sein Gesicht trägt tiefe Narben, das linke Auge ist nicht mehr zu retten. Gegenüber den Krankenschwestern verhält er sich sehr ablehnend, wird aggressiv, wenn sie ihm zu nahe kommen. Ein Psychologe befasst sich mit ihm, trifft aber nur auf eine harte Mauer aus Schweigen. Als seine Ex-Verlobte ihn besucht, schickt er sie fort und wird sogar handgreiflich. Noch bevor Acland entlassen wird, ereignet sich ein dritter Mord, nach demselben Schema wie die beiden voran gegangenen.
Der Psychiater weiß nicht, was mit Lt. Acland los ist, entlässt ihn aber zunächst aus dem Krankenhaus. Seine ehemalige Kollegin soll ein Auge auf ihn werfen. Aber auch sie kommt bei ihm nicht weiter, Acland bleibt wortkarg und legt einen asketischen Lebensstil zutage, der ihn allmählich abmagern lässt.
Die Ablehnung gegenüber Frauen erhält erst einen Riss, als er auf Dr. Jackson trifft, eine selbstbewusste Ärztin mit dem Körperbau wie ein Gewichtheber. Sie gewinnt unbewusst seinen Respekt durch ihr resolutes Auftreten ohne weibliche Gefühlsduselei.
Jacksons Hilfe wird er auch sehr bald sehr nötig haben, denn die Polizei wird auf ihn aufmerksam. Er steht unter Verdacht, einen älteren Herren niedergeschlagen zu haben und auch bei den Ermittlungen gegen den Serienmörder taucht Acland wie durch ein Wunder immer wieder auf. Bald stellt sich nicht nur die Polizei, sondern auch der Leser die Frage, welche Rolle der Lieutenant in der ganzen Angelegenheit spielt. 


Das Buch inszeniert sich als eine durchaus spannende Kriminalgeschichte. Walters schreibt flüssig und routiniert. Es gelingt ihr, Spannung aufzubauen, wobei auch die handelnden Charaktere keinen platten Eindruck machen, sondern jeweils ihren Reiz und ihre Eigenheiten besitzen. Geschickt schafft es Walters, den Leser selbst im Dunkeln darüber zu lassen, was der verschlossene Acland vorhat und ob er wirklich unschuldig an den ganzen Vorfällen ist.
In Walters´ Roman kommen ernst zu nehmende Problematiken zur Ansprache. Es geht neben Prostitution, Drogenkonsum, Vergewaltigung und Obdachlosigkeit auch um Gewalt von Frauen gegen Männer, Persönlichkeitsstörungen und Dominanzverhalten in Ehebeziehungen. Das ist eine ganze Menge harter Tobak. Jedes dieser Themen allein wäre schon ein gutes Buch wert. 

Walters hingegen verschafft diesen Themen in ihrem Roman lediglich Gastauftritte. Außer Lieutenant Aclands traumatische Erfahrungen, die sich bei ihm durch Verschlossenheit und Berührungsangst äußern, beschäftigt sich Walters mit keinem Thema besonders intensiv
 
Obwohl der Protagonist männlich ist und bei der Mordserie ausnahmslos ältere Männer zu Opfern geworden sind, hatte ich nach Beendigung des Romans den Eindruck, einen typischen Frauenroman gelesen zu haben, nur diesmal mit vertauschten Geschlechterrollen. Die Gewalt, die dem Opfer angetan wird, fällt auch hier unnötig übertrieben hart, also unglaubhaft aus. Walters hätte dem Roman sicherlich einen größeren Gefallen getan, wenn sie sich auf ein bestimmtes Thema konzentriert hätte, anstatt eine ganze Palette von Missständen zwischen zwei Buchdeckel zu kippen.


So lässt sich das Fazit mit folgendem Zitat zusammenfassen:
"Die Dealer machen sie drogenabhängg, und die Freier legen sie flach."
"Erzählen Sie mir was Neues"

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