Sonntag, 6. November 2011

Philip Roth: Die Demütigung


  „Kaum je hat Philip Roth die hämische Macht des Fatums so  profund und literarisch meisterhaft vorgeführt wie in Die Demütigung, einem Roman, der das Leben als grimmige Komödie entlarvt“
Zitat: Christopher Schmidt, Süddeutsche Zeitung

Steht so zumindest auf dem Einband wird also wohl stimmen. Oder?


 
Über Philip Roth muss man eigentlich keine vielen Worte verlieren. Er ist einer der bekanntesten Schriftsteller der Welt und seit Jahren heißer Kandidat auf den Literaturnobelpreis, den er sicher früher oder später auch erhalten wird. Seit den Erscheinen von „Portnoys Beschwerden“ 1969 mit dem er den internationalen Durchbruch schaffte, erscheinen alle 1-2 Jahre neue Romane in denen er Themen wie Rassismus, Terrorismus und Antisemitismus behandelt, dabei nimmt er immer wieder Versatzstücke der eigenen Biographie speziell seine jüdischen Wurzeln  auf und kritisiert beginnende totalitäre Strukturen, religiösen Irrsinn und sozialen Druck in den USA. In den neueren Romanen thematisiert er auch Fragen rund um die Probleme des (eigenen?) Älterwerdens angereichert mit einem Schwung Sex.

Der vorliegende Roman „Die Demütigung“ erschien 2009 auf Deutsch und umfasst 135 Seiten. Ein großes Lob geht hier zuerst an die schöne Übersetzung von Dirk van Gusteren der mir schon bei der Übersetzung der zuletzt erschienenen Richard Stark Romane positiv aufgefallen ist. 

Die Geschichte handelt von Simon Axler einem 65jährigen Theater und Filmschauspieler der in einer fundamentalen künstlerischen und psychischen Krise steckt.

„Er hatte seinen Zauber verloren. Der Impuls war erloschen. Auf der Bühne hatte er nie versagt – alles, was er getan hatte, war stark und erfolgreich gewesen, doch dann war das Schreckliche geschehen: Er konnte nicht mehr spielen. Auf die Bühne zu treten wurde zur Qual.“ 

Nach einem Zusammenbruch auf der Bühne zieht er sich aus dem Beruf zurück und verbringt die Zeit mit seiner Frau in ihrem Haus auf dem Land. Sein Selbstbewusstsein wie sein Lebensmut sind ihm, der seinen Beruf immer als die Quelle der eigenen Zufriedenheit betrachtet hatte, völlig verloren gegangen. Damit vergrault er, ohne das darauf im Detail eingegangen wird auch seine selbst unter Sorgen leidende Frau bis sie ihn verlässt. Den darauf eintretenden totalen Zusammenbruch bis zur Selbsmordabsicht kann er nur durch einen Notruf unterbrechen und verbringt dann einen Monat in einer geschlossen psychiatrischen Einrichtung bis er einigermaßen wieder mit seinem Leben zurechtkommt. Unterbrechen kann die daraufhin eintretende langweilige Routine erst der Besuch von Pegeen, der 40jährigen Tochter eines mit ihm befreundeten Pärchens.
Pegeen ist selbst auf der Suche nach Veränderung, sie ist lesbisch und hat sich vor kurzem von ihrer langjährigen Partnerin getrennt, weil diese sich dazu entschlossen hatte, das Geschlecht zu wechseln und ein Mann zu werden. Aktuell befindet sie sich in einer Art Affäre mit ihrer Chefin Louise, die ihr auch ihren aktuellen Job nicht zuletzt aus diesem Grund besorgt hat. Scheinbar befriedigt sie diese Lösung aber nicht denn sie hofft bei Simon etwas Neues zu finden:

Simon: „Bist du immer so berechnend?“ Pegeen: „Das ist keine Berechnung. Es ist das Streben nach dem, was man will. Und“, fügte sie hinzu, „das Nichtstreben nach dem, was man nicht mehr will“ 

Wenig überraschend beginnen die beiden eine sexuelle Beziehung, die aber nie ihr soziales Umfeld erreicht und sich mit Ausnahme wilder Einkaufstouren auf seinen Kosten, mit der sich Pegeen optisch von der burschikosen Lesbe in eine moderne Frau verwandelt, auf sein Haus beschränkt. Die Umstände der Beziehung sind von Anfang an schwierig: Louise versucht Pegeen mit an Stalking grenzenden Bemühungen zurückzugewinnen, Pegeens Eltern versuchen alles, sie umzustimmen und Pegeen beginnt bald wieder spontane one night stands mit Frauen. Simon sieht die Probleme, stellt sich aber aus Angst keinem davon:

„Aber auch die Angst blieb, die Angst, wieder zurückzukehren zu der Unfähigkeit eines Menschen, der vollkommen am Ende ist. Die Angst, die nächste Louise zu werden, der anklagende, halb wahnsinnige, rachsüchtige Ex“ 

Stattdessen führt Pegeens zurückkehrende Lust auf Frauen vorerst nur, zu für ihn noch aufregenderen Umsetzungen expliziter sexueller Männerfantasien. Die Demütigung, die für ihn schon in diesen Ausschweifungen liegt, blendet er jetzt immer nachdrücklicher aus,

„Doch angesichts dessen, was sich hier entwickelte, würde er derjenige sein, der schließlich weinend in der Ecke saß. Dennoch fühlte er sich, als er von der anderen Seite des Betts aus zusah, keineswegs schmerzlich ausgeschlossen. Er hatte Pegeen das Kommando übergeben und würde erst teilnehmen, wenn er dazu aufgefordert wurde.“ 

um sich dann sogar in Zukunftsfantasien inklusive Kinderwunsch zu stürzen. Vom Ende, das sich von der ersten Seite an angedeutet hatte, trennt ihn nun nicht mehr viel außer Pegeens Entscheidungen und der Grad seiner Entschlossenheit, es zu Ende zu bringen.

Philip Roth thematisiert die Einsamkeit des alten Mannes der alles vernachlässigt hat außer seinen Beruf und der nun, da er nicht mehr die Kraft hat, diesen auszuüben, als Basis wegfällt. Es ist der Ruf nach Familie, nach gewachsenen und gepflegten Strukturen, nach Freundeskreisen und nach weniger Augenblick und mehr Zukunft. Simon hat gelebt, ohne an das Morgen zu denken und ist nun mitten drin in diesem Morgen, ohne das er noch den Willen hätte, diesen zu gestalten. Der demütigende Vergleich des alten Mannes mit der noch kindlich verspielten dabei grausam gleichgültigen Pegeen ist die konservative Aufforderung nach Selbstbeherrschung und Treue.

Die Kraft der Sprache Philip Roths ist außerordentlich, sie ist sehr präzise und seziert so die Selbsttäuschung seiner Protagonisten grausam genau. Das hilft speziell bei den sehr deftigen Sexszenen in denen neben der Erotik immer das Tragische mitschwingt ganz besonders beim lakonisch zerlegten Dreier dem Mythos der männlichen Sexualität. Spannung im eigentlichen Sinn kommt dabei gar nicht auf, da wie in einem Shakespeare Drama das Ende von Anfang an fest steht. Das Schicksal dieses Mannes geht einem aber trotz dessen tragischer Schwäche sehr nahe.

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