Montag, 14. November 2011

David Foster Wallace: Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich


Was passiert wenn man einen genialen Schriftsteller, der bei offenem Wasser zuerst an Haie und Tod denkt und mit überbordender Beobachtungsgabe und Agoraphobie ausgestattest ist den Auftrag erteilt einen Urlaubsbericht über eine Luxuskreuzfahrt mit dem Versprechen „Sie werden Spaß haben!“ zu schreiben? Nun, es entsteht pure Satire auf Luxus und Unterhaltung, gemischt mit der Erkenntnis dass man sehr allein sein kann gerade in Gesellschaft von vielen Menschen.   




In „Schrecklich amüsant – aber in Zukunft ohne mich“ erzählt David Foster Wallace (kurz DFW)  rückblickend von einer 7 night Caribbean (kurz 7NC) Luxuskreuzfahrt. Der Bericht entstand als Auftragsarbeit für das Harpers Magazine, ist dort in mehreren Ausschnitten erschienen und nach dem großen Erfolg DFWs inklusive Fußnoten in einer erweiterten Form als Buch neu aufgelegt worden. Mit dem Luxusschiff werden also ein paar tausend Menschen eine Woche lang durch die Karibik geschippert, dürfen dabei 3-mal auf malerischen Inseln an Land und werden ansonsten de facto rund um die Uhr bekocht und bespaßt. Jede Form von körperlicher Arbeit ist praktisch verboten, man kümmert sich um alles was man sich vorstellen oder auch nicht vorstellen kann:

„Ich weiß genau wann ich zum letzten Mal in den Genuss einer solchen Rundumversorgung gekommen bin. Als noch jedes Bedürfnis so umgehend und umfassend selbstredend erfüllt wurde, Bedarf noch nicht angemeldet, Ansprüche so wenig geltend gemacht werden mussten, dass die Annahme gestattet war, sie existieren gar nicht. Es war zu einer Zeit, da schwamm ich ebenfalls irgendwo herum, und das Wasser war salzig und warm, aber eben nicht zu warm, sondern genau richtig.“

Natürlich kann das nicht lange anhalten denn schon bald ist auch dieses alles nicht mehr genug:

„Doch leider ist mein Inneres Kind unersättlich, denn sein einziger Daseinszweck besteht a priori in seiner Unersättlichkeit. Sobald ein bestimmtes Zufriedenheits-Level erreicht ist, wird die Latte gleich ein bisschen höher gelegt, und das Kind gibt keine Ruhe, bis auch dieser höhere Level erreicht ist – und sich prompt als schreckliche Enttäuschung entpuppt.“

Selbstverständlich leidet er nicht nur unter seinem Inneren Kind sondern weil die Sache an sich eine Lüge ist. Die Fahrt ist voll mit Konventionen, er hat nicht die richtigen Sachen, nicht das richtige Benehmen und ist schnell gelangweilt von den allumfassenden aber letztlich platten Lustbarkeiten.

„Egal, ob unten im Gewusel des Hafens oder ganz oben an der Reling von Deck 12, ich werde das dumme Gefühl nicht los, dass ich ein amerikanischer Tourist bin und dadurch per se ein stiernackiger, lauter, vulgärer, großkotziger Fettsack, eitel, verwöhnt, gierig und zugleich gepeinigt von Scham und Verzweiflung. In dieser Hinsicht ist der amerikanische Tourist wirklich einzig auf der Welt: ein bovines Herdentier und ein Fleischfresser.“

Das alles hat er aber in kunterbunten Farben voller sinnhafter und sinnloser Details beschrieben. Es ist schrecklich komisch wie die vielen technischen Details des Schiffes beschrieben werden, so wird auch ein Badrundgang zu einem Erlebnis und schrullige Kreuzfahrer zu Stars des Absurden. Seine Andersartigkeit, sein im Vergleich fast kindliches Gemüt:

„[…] die Wände sind besonders dick und solide. Ich kann bis zu fünf Minuten mit den Fingern gegen die Wand über dem Bett trommeln, ehe jemand aus der Nachbarkabine genervt (aber wie aus weiter Entfernung) zurückhämmert.“

machen jede noch so kleine Begebenheit zum großen Spaß. Für den DFW Einsteiger gibt es aber außer den auch hier manchmal langen Sätzen, die aber einen großartigen Drive entwickeln können (einfach mal laut vorlesen), das Problem mit den Fußnoten. Die Fußnoten gehören bei DFW dazu, sind zumindest interessant, oft witzig und manchmal richtige kleine Gags aber sie unterbrechen den Lesefluss und es gibt davon insgesamt 136 auf 182 Seiten. Eine Lösung wäre die Fußnoten beim ersten Lesen einfach zu ignorieren und erst beim Zweiten Mal darauf zurückzukommen oder man kauft gleich das Hörbuch. 

Zum Hörbuch, herrlich gelesen von Dietmar Bär, daher noch ein paar Worte: Leichter, lustiger und schöner kann man in DFW nicht einsteigen. Die Fußnoten werden unmerklich integriert als gehörten sie zum Text, dabei wurden nur ein paar der kleinen Gags gestrichen aber die abwechslungsreiche Sprache kommt so zur Geltung, wie es ihr gebührt.

4 Kommentare:

  1. Kleiner Scherz für Insider:
    http://www.unendlicherspass.de/2011/08/26/eschaton/

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  2. Sehr cool und eine schöne Einleitungspassage.
    Ich würde TROTZDEM am liebsten DFW´ Charakterprofil auf eine extra Seite setzen. Wenn sich jemand nicht für DFW interessiert, sondern nur für das Buch, dann wird er in der momentanen Fassung aus der Rezension raus geworfen und mit persönlichen Fakten vollgestopft, ehe es in der Rezension weiter geht.

    Aber sonst trotzdem sehr schön geschrieben.

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  3. Mmhh das heißt wohl: SO ist gut aber NOCH besser wäre es….

    Na gut dann mal raus mit dem Reis aber das wundervolle Volkstimme bashing geht dann auch verloren das haste nun davon. Hex Hex!

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  4. Der außenstehende Leser wird sich jetzt denken "Bis wieder einer heult!"

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